Chk-Chk-Chk!
Der Disco-Gitarrist und Rhythmusmeister Nile Rodgers gibt mit seiner neu formierten Band Chic in Berlin sein einziges Deutschlandkonzert
»Dancing helps relieve the pain/Soothes your mind, makes you happy again«, heißt es in dem Disco-Stück »Everybody dance« aus dem Jahr 1977. Der Band Chic, 1976 in New York gegründet und erstmals 1983 wieder aufgelöst, in den 90er Jahren wiedergegründet und wieder aufgelöst, gelang einst das Kunststück, Rock mit Disco so geschickt zu verzahnen, dass etwas Neues entstand: Den abgehalfterten Rock befreite man aus den Klauen der sich in endlosen Gitarrensoli verlierenden Langhaarigen und der gelangweilten Kunstgewerbler, und gleichzeitig machte man die Disco-Rhythmen kantiger, schnittiger, elaborierter. »A force that’s driving, there is no surviving, bass and rhythm makes you move, get into a chic groove«, hieß es etwa in dem Titel »Chic Mystique« (1992).
Bernard Edwards’ fließenden Basslinien war - ohne dass Edwards selbst sich dessen bewusst war - deutlich anzumerken, dass sie sich als Vorläufer des seinerzeit noch in der Zukunft liegenden Rap und HipHop gebärdeten, während Gitarrist Nile Rodgers geschliffene Discotracks schrieb, deren Markenzeichen meist kurze Melodielinien waren, die durch extreme Funkiness gekennzeichnet waren. Rodgers und Edwards galten lange als eine Art Dreamteam, was Songwriting und Produktion anging. Gemeinsam waren die beiden etwa auch für Hits wie »We are Family« von Sister Sledge verantwortlich. Rodgers arbeitete in den 80ern und 90ern sowohl zeitweise mit randständigen Künstlerinnen wie beispielsweise Laurie Anderson zusammen, gab aber, als eine Art offizieller Rhythmusmeister und Groove-Beauftragter, auch Songs von David Bowie, Madonna, Mick Jagger, Grace Jones, Diana Ross oder George Michael den maßgeblichen Kick. Auch einige Filmsoundtracks haben wir ihm zu verdanken. Zuletzt schrieb er an Daft Punks Hit »Get lucky« mit.
Heute kann Nile Rodgers als einer der erfolgreichsten Musikproduzenten der Welt gelten. Der Deutschlandfunk nannte den Mann vor einigen Jahren »ein Stück Musikgeschichte«, das Berliner Magazin »Tip« bezeichnete ihn kürzlich als ein »Genie durch und durch«. Und der Internetradiosender Byte FM teilte letztes Jahr mit: »Wenn die Rhythmusgitarre in den vergangenen 40 Jahren bei einem Disco-Song sexy Chk-Chk-Chk-Geräusche machte, konnte fast nur einer dahinterstecken: Nile Rodgers.« Chics eigene große Disco-Hymne »Le Freak«, die noch heute die Tanzböden bedient, war 1978 sechs Wochen an der Spitze der US-amerikanischen Charts.
Seit einigen Jahren geistert nun bereits die Meldung durch verschiedene Medien, dass Rodgers an einem neuen Chic-Album arbeite, das teils auch bisher unveröffentlichte alte Aufnahmen von früher enthalte. Im September soll jedenfalls nun tatsächlich das erste Chic-Album seit über 20 Jahren erscheinen.
Rodgers, der nächsten Monat 66 Jahre alt wird, ist der einzige aus der Chic-Urbesetzung verbliebene Musiker. »Ich war derjenige in der Band, der am meisten Gas gegeben hat - und ich bin echt schockiert, dass ich immer noch hier bin. Also dass ich quasi der letzte Überlebende bin«, sagte er vor zwei Jahren dem Deutschlandfunk in einem Gespräch. Für die gegenwärtige Tournee scharte er nun allerlei neue Kollegen um sich, unter anderem die Rapperin Stefflon Don und die britische R & B-Newcomerin Nao.
Für die Art feiste Disco-Nostalgie, die die neuen, gegenwärtigen Chic verbreiten, muss sich Nile Rodgers allerdings nicht schämen: Angeblich sind die 70er-Jahre-Chic-Klassiker, die die Gruppe in ihrem Live-Programm hat, eher dünn gesät. Vielmehr soll Rodgers es sich zur Angewohnheit gemacht haben, bei seinen Konzerten viele jener Songs zu performen, die er im Lauf seiner mittlerweile 45-jährigen Karriere für andere Künstlerinnen und Künstler (siehe oben) produziert oder geschrieben hat.
Nicht ausgeschlossen also, dass man Madonnas »Like A Virgin« in einer mit funky Bläsersätzen aufgedonnerten Discoversion zu hören bekommen wird oder David Bowies 1983er-Hit »Let’s dance«, dessen knallenden Funk-Groove wir maßgeblich Rodgers zu verdanken haben.
Konzert: Nile Rodgers & Chic, 16. August, 20 Uhr, Tempodrom, Möckernstraße 10, Kreuzberg.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.