Lösungsbestrebungen in der Westsahara
UNO-Sonderbeauftragter Horst Köhler will direkte Gespräche noch vor Jahresende
Der UN-Sonderbeauftragte für die Westsahara drückt aufs Tempo: Der ehemalige deutsche Bundespräsidenten Horst Köhler kündigte an, die Konfliktparteien noch vor Jahresende an einen Tisch bringen zu wollen. Zuvor hatte der UNO-Sicherheitsrat eine Frist bis Oktober 2018 gesetzt, um die seit 2012 herrschende Funkstille zwischen Marokko und der sahrauischen Befreiungsfront Polisario zu beenden. Der Konflikt um das 266 000 Quadratkilometer große Territorium am Atlantik besteht seit 1976.
Marokko besetzte nach dem Abzug der Kolonialmacht Spanien 1975 das Gebiet, das völkerrechtswidrig zwischen dem im Norden angrenzenden Königreich und Mauretanien im Süden aufgeteilt worden. Während sich Mauretanien drei Jahre später zurückzog, kontrolliert Marokko mittlerweile mehr als zwei Drittel des Gebiets. Der kleinere Teil steht unter der Kontrolle der Befreiungsfront Polisario, die bereits seit 1973 für die Unabhängigkeit der Sahrauis kämpft. Sie wird vom Nachbarland Algerien unterstützt, wohin sich beim Einmarsch marokkanischer Truppen zehntausende Sahrauis geflüchtet hatten. In den damals errichteten Flüchtlingslagern in der südwestalgerischen Region um die Stadt Tindouf leben mittlerweile mehr als 170 000 Menschen. Dort ist auch der Regierungssitz der vor 42 Jahren gegründeten Demokratischen Arabischen Sahara-Republik.
Für Rabat steht die »Marokkanität« der Westsahara fest und gilt als nationaler Konsens. Die Besatzung wurde in den vergangenen Jahrzehnten damit zementiert, dass vollendete Tatsachen geschaffen wurden: Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur ebenso wie die Ansiedlung marokkanischer Familien und auch wirtschaftliche Aktivitäten, die die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen mit einschließen.
Die Polisario besteht ihrerseits auf der Einhaltung der UNO-Resolutionen, die das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis garantieren. Die UNO hatte 1991 einen Friedensplan verabschiedet, der einen Waffenstillstand, dessen Überwachung durch die UN-Mission »Minurso« sowie die Abhaltung eines Referendums vorsieht. Horst Köhler berichtete gerade dem UNO-Sicherheitsrat über die bisherigen Ergebnisse seiner Bemühungen, darunter eine zehntägige Rundreise durch die Region. Köhlers Vorgänger, der US-amerikanische Diplomat Christopher Ross, hatte im April 2017 nach acht Jahren andauernden vergeblichen Versuchen das Handtuch geworfen. Nun ist erstmals ein ehemaliges Staatsoberhaupt mit dieser Mission betraut. Köhler kann als ehemaliger IWF-Chef sowie als Initiator der »Partnerschaft mit Afrika« seine internationalen Kontakte und seine Kenntnisse des Kontinents in die Waagschale werfen.
Anfang des Jahres hatte der EuGH Marokko mit einem Urteil einen Dämpfer versetzt, das die Ausbeutung der Fischgründe vor der Westsahara-Küste als rechtswidrig und eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des sahrauischen Volkes erklärte. Dies betrifft das EU-Fischereiabkommen mit Marokko. Unter dem Druck von Seiten Frankreichs und Spaniens entschied die EU-Kommission im Juli allerdings anders: Das Abkommen solle »unter bestimmten Bedingungen« auch auf die Westsahara angewandt werden können, hieß es nach erneuten Verhandlungen mit dem Königreich. Dem muss jedoch erst noch der Europäische Rat der Landwirtschaftsminister zustimmen.
Die Polisario protestierte gegen diese Entscheidung prompt. »Wir betrachten jegliche Vereinbarung, die Marokko die Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen ermöglicht, als ungültig, rechtswidrig und unmoralisch«, erklärte der Präsident der Westsahara-Republik Brahim Ghali und forderte von Europa die Einhaltung des EuGH-Urteils.
Ungeachtet dessen ist die Polisario zu direkten Gesprächen bereit, während Marokko bislang darauf besteht, Algerien als Verhandlungspartner am Tisch zu sehen. Die Regierung in Algier lehnt dies allerdings ab und verweist ebenfalls auf die UNO-Resolutionen. Dem UN-Sonderbeauftragten verlangt diese Situation ein gehöriges Maß an Verhandlungsgeschick ab, damit die am Konflikt Beteiligten bis Oktober positiv auf seine Einladungsschreiben reagieren. Dann entscheidet der UN-Sicherheitsrat erneut über die Verlängerung der UN-Mission.
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