Streit um Syriens Wiederaufbau

USA, UNO und auch Berlin wollen erst nach einer »politischen Lösung« Hilfe leisten

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 4 Min.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat Washington am Montag »zerstörerisches« Verhalten vorgeworfen. Man setze Verbündete und sogar die Vereinten Nationen unter Druck, der US-Linie zu folgen. Das UN-Sekretariat habe bereits im Oktober 2017 eine »geheime Anordnung« an die UN-Organisationen verteilt, wonach keine von ihnen Projekte in Syrien unterstützen dürfe, die der Wirtschaft des Landes wieder auf die Beine helfen könnten. Wiederaufbauprojekte dürften erst unterstützt werden, wenn es eine »politische Lösung« gebe, so die Anordnung. Darum helfe weder die UNESCO beim Wiederaufbau von Kulturstätten wie Palmyra, noch unterstütze das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) die Rückkehr von Flüchtlingen. Die USA wie Großbritannien und ihre Verbündeten verbinden mit dem Wiederaufbau politische Ziele der von ihnen unterstützten Opposition. Ganz Syrien dürfe eben erst bei einer »politischen Lösung« geholfen werden, so auch US-Außenminister Mike Pompeo vor wenigen Tagen. Ohne die sei mit Damaskus »jede Diskussion über den Wiederaufbau voreilig«.

Die Nachbarstaaten, allen voran Libanon, Jordanien und die Türkei, halten dagegen die russische Initiative für eine Wiederbelebung Syriens und die Rückkehr der Flüchtlinge für richtig. Die große Zahl von syrischen Vertriebenen belastet die Länder politisch, sozial und wirtschaftlich und kann von ihnen trotz finanzieller Hilfe der UNO und westlicher Staaten nur mühsam bewältigt werden. Ein Wiederaufbau in Syrien wäre mit der Öffnung der Grenzen verbunden, wovon alle Staaten der Region profitieren könnten.

Der libanesische Außenminister Gibran Basil bekräftigte nach Gesprächen mit seinem Amtskollegen Lawrow in Moskau am Montag, die Lage im Nachbarland habe sich geändert und Beirut werde mit Russland bei der Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien zusammenarbeiten. Für den Wiederaufbau sieht man sich in der Rolle einer »Plattform«. So werden dabei vor allem die libanesischen Häfen Beirut und Tripoli gebraucht. Das alles wird auch in der heimischen Wirtschaft für neue Arbeitsplätze sorgen, die dringend gebraucht werden.

Selbst die Türkei, deren Wirtschaft sich seit Beginn des Krieges 2011 auf einer steilen Talfahrt befinden, ist zu Zugeständnissen bereit. Wenn Syrien wieder die Kontrolle der beidseitigen Grenze übernehmen und damit das kurdische Projekt einer Föderation eingedämmt würde, wäre Ankara zu Zugeständnissen bereit. Man hofft auf große Projekte im Straßenbau und bei der Wiederherstellung der Stromversorgung. Die Finanzierung - im Rahmen von Stabilisierungsprojekten - könnte von Frankreich und Deutschland übernommen werden. Mit russischer Unterstützung hat die Türkei beide Staaten zu einer Konferenz für Wiederaufbau und die Rückkehr von Flüchtlingen eingeladen. Iran sieht sich von diesen Beratungen ausgeschlossen, ist aber nicht bereit, auf seinen Anteil zu verzichten. Teheran teilte mit, man werde seine Vorstellungen beim nächsten Treffen mit Russland und der Türkei im Rahmen des Astana-Formats Anfang September einbringen.

Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben ausgeprägte Ambitionen zur Kontrolle des Mittleren Ostens und sind daher für Ankaras Avancen empfänglich. Beide verfügen über engste Beziehungen zu Israel, das ihr Engagement in Syrien als Garantie der eigenen Sicherheit - gegen Iran - begrüßen dürfte. Weder Paris noch Berlin gelingt es zudem, Flüchtlinge, die nach Europa kommen, auf alle EU-Staaten zu verteilen. In der russischen Initiative sehen beide nun offenbar die Chance, nationale Ambitionen und europäische Interessen zu verbinden.

Zugleich sind sie aber mit den USA in der so genannten Anti-IS-Koalition verbunden und unterstützen Oppositionelle in Idlib, im Norden Syriens und östlich des Euphrat. Daher weigern sich Paris und Berlin auch, Syrien ohne Vorbedingungen beim Wiederaufbau zu helfen. Das hieße vor allem, die EU-Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufzuheben, die es europäischen Firmen verbieten, mit Damaskus Geschäfte zu machen. Auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel war nach ihrem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Wochenende zu hören, dass es erst eine »politische Lösung« in Syrien geben müsse, ehe man an Wiederaufbau denken könne.

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