Überraschend viele Stars
Die Deutschland-Tour wird in Kleinformat wiederbelebt
Marcel Kittel kann das Comeback der Deutschland-Tour kaum erwarten. »Es hat natürlich eine Strahlkraft, wenn eine solche deutsche Rundfahrt zurückkommt, das ist ein großes Zeichen. Für uns deutsche Rennfahrer ist es super, da am Start zu stehen«, sagt der deutsche Sprinter.
An diesem Donnerstag beginnt in Koblenz die viertägige Neuauflage, die am Sonntag nach 737 Kilometern in Stuttgart schon wieder endet, aber keine Eintagsfliege bleiben soll. Dafür steht die Amaury Sport Organisation (ASO) gerade, die auch die Tour de France veranstaltet. »Es kann nicht sein, dass es in Deutschland keine Rundfahrt gibt«, sagt Claude Rach, Chef der Deutschland-Tour: »Für die weitere Entwicklung braucht man eine Plattform.«
Bewusst entschied sich die ASO aber für einen Neustart im kleineren Rahmen, bescheiden statt großspurig. Sie hat sich dem Projekt für zehn Jahre verschrieben, will Stehvermögen beweisen, auch wenn nicht alles gleich perfekt laufen sollte. »Wir gehen nicht pompös heran und wollen keine dreiwöchige Rundfahrt starten, die so groß wird wie die Tour. Wir starten mit einer gesunden Basis und wollen sie weiterentwickeln, wenn das möglich ist«, sagt Rach.
Es war gleichwohl nicht leicht, bereitwillige Etappenstädte zu finden, die ASO handelte sich etliche Absagen ein, der lange ungeklärte Fall um die auffällige Dopingprobe von Chris Froome war nicht zuträglich. Die Skepsis dem Radsport gegenüber spielt noch eine Rolle, die Rach angeblich aber »gesünder« findet »als ein fanatisches Hochheben der Stars«. Kittel sieht noch andere Gründe für die Zurückhaltung. Eine Großveranstaltung sei nun mal aufwendig und brauche ein überzeugendes Konzept. »Es reicht nicht mehr, einfach nur die Profis vorbei zu schicken. Man muss die Menschen mitnehmen«, sagt der 30-Jährige. Die neue Deutschland-Tour wolle nun Radsport zum Erleben bieten mit verschiedenen Wettbewerben im Rahmenprogramm.
Das soll langfristig auch die Basis stärken, denn die litt und leidet bis heute unter den Skandalen der 1990er und 2000er Jahre. Als 2008 auch die Deutschland-Tour jede Unterstützung verlor, stand der Radsport hierzulande praktisch vor dem Aus. Die Generation um Kittel aber zog mit offensiv vertretener Antidopinghaltung und vielen Erfolgen den Radsport aus dem Abgrund wieder etwas herauf. »Man kann sich dafür beweihräuchern, aber das ist nicht meine Sache«, sagt Kittel, der sich einfach über einen »schönen Schritt in die richtige Richtung« freut.
Das Starterfeld ist erlesen: Mit Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas (Großbritannien) an der Spitze sind die Hoffnungen der ASO sogar übertroffen worden. Zudem kommen der Zweite der Frankreich-Rundfahrt Tom Dumoulin (Niederlande), der Franzose Romain Bardet und das Gros der deutschen Elite mit Kittel, Andre Greipel und aufstrebenden Jungen wie Maximilian Schachmann und Pascal Ackermann.
Rach glaubt an ein erfolgreiches Comeback. Er könne es sich auch nicht vorstellen, dass die ASO den nächsten Versuch, eine Radrundfahrt in Deutschland langfristig zu etablieren, schon bald wieder verwirft. »Bisher sehe ich nur Sachen, die uns aufmuntern, im Moment geht es in eine ganz andere Richtung.« SID/nd
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