Auf zwei und vier Beinen zum Müggelturm wandern

Die nd-Herbstwanderung startet am 16. September am Berliner S-Bahnhof Hirschgarten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Streckenverlauf der 100. nd-Wandeerung. Es stehen zwei Strecken zur Auswahl.
Der Streckenverlauf der 100. nd-Wandeerung. Es stehen zwei Strecken zur Auswahl.

Es ist heiß, sehr heiß. Im Restaurant und auf den Terrassen am Fuße des Müggelturms sitzen Gäste im Schatten, trinken kühles Bier oder Limonade und essen Eis. Eine Großmutter erzählt ihrer Enkelin von einem Mann, den sie von der nd-Wanderung kennt. So ein Zufall! Am Sonntag, dem 16. September, ist der Müggelturm das Ziel der nd-Herbstwanderung. Es ist nicht irgendeine Leserwanderung, sondern die 100., für die zwei besonders schöne Strecken und ein besonders attraktives Ziel gesucht waren.

Ein Hunderter zum 100.

Zu DDR-Zeiten war sie im Kulturplan fest verankert, mit Kind und Kegel, wie es so schön hieß, waren wir dabei. Inzwischen in die Jahre gekommen, sind wir ihr treu geblieben. Auch wenn wir nicht an allen Wanderungen teilnehmen konnten, die Zahl 50 haben wir bestimmt überschritten.

Das »nd« gibt es dafür bei uns seit über 50 Jahren ohne Unterbrechung und nach einer Begegnung mit Walter Grenzebach im Jahre 1990 als Soli-Abo. Aus Anlass der 100. Wanderung möchten wir unser »nd« mit einer Spende von 100 Euro unterstützen und hoffen dabei auf Nachahmer.

Jürgen und Ursula Spatholz, Rüdnitz

Zwei interessante Strecken zum Müggelturm (Zielfeier dort ab 12 Uhr, es singt Gaby Rückert) hat unser erfahrener Wanderleiter Gerhard Wagner ausgetüftelt. Da die nd-Leser seit 1969 immer wieder in Berlin-Köpenick gewandert sind, schien es fast unmöglich, noch neue Wege zu finden. Auch wenn im Archiv nicht alle Strecken detailliert überliefert sind, so lässt sich aus der Erinnerung sagen, dass dieser und jener Wegabschnitt schon einmal im Programm waren, dass die Strecken haargenau so aber noch nicht bei einer nd-Tour gelaufen wurden. Einige Hundert Meter romantischer Trampelpfad könnten bei einer nd-Wanderung tatsächlich sogar noch nie beschritten worden sein.

Gestartet wird am 16. September in der Zeit von 9 bis 11 Uhr am Berliner S-Bahnhof Hirschgarten. Nur ein kleines Stück geht es an Straßen entlang und über die Salvador-Allende-Brücke, die derzeit schrittweise abgerissen und neu aufgebaut wird. Für Fußgänger und Radfahrer in beide Richtungen gibt es deswegen nur einen schmalen Weg über die Brücke. Dafür entschädigt, was danach kommt. Hinter der Brücke geht es zunächst am Ufer der Müggelspree entlang und bald in den dichten Wald hinein, aus dem wir bis zum Ziel nur einmal kurz heraustreten, um eine Straße zu überqueren.

Vom Salvador-Allende-Viertel sehen wir nicht viel, aber der Namensgeber bleibt im Gedächtnis. Der Sozialist Allende war ab 1970 frei gewählter Präsident von Chile, bis er im September 1973 unter Mithilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA durch einen Militärputsch von General Augusto Pinochet gestürzt wurde und starb. Die DDR hat nicht nur Straßen und Schulen nach Allende benannt, sondern auch Chilenen aufgenommen, die vor der Diktatur Pinochets fliehen mussten.

Auf der Müggelspree treibt ein Party-floß. Drei Männer haben es für 200 Euro einen Tag lang gemietet. »Ein bisschen happig, man kann aber auch kleinere für weniger Geld bekommen«, erzählt einer von ihnen. Jetzt sitzen sie in Badehosen auf dem Deck, lassen sich von den Wellen schaukeln und spielen Skat. Nicht jeder lässt es auf dem Gewässer so ruhig angehen. Rudersportler trainieren. Der Trainer feuert eins der Mädchen an. »Gib alles, Janine«, ruft er ins Megafon. Es ist heiß, sehr heiß. Gerhard Wagner hat für seine Hündin Lotta extra einen Napf eingesteckt, damit auch sie trinken kann. Bei jeder Gelegenheit flitzt Lotta in den Langen See und kühlt sich ab - auch zwischen den Nackten an der FKK-Badestelle, die wir nach etwa vier Stunden passieren. Bei weniger großer Hitze hätten wir es schneller bis dorthin geschafft. Aber so nutzen wir unterwegs jede freie Bank für eine Rast. Zum Glück gibt es einige Bänke, zum Beispiel auch an der Eiche, die 2006 zur Erinnerung an den verstorbenen Revierförster Wilfried Langer auf dessen Namen getauft und mit einer Art Gedenkstein versehen wurde.

Der Weg ist für Rollstuhlfahrer nicht geeignet, aber angenehm zu laufen. Es geht bloß ein paar Mal einige Hundert Meter über Asphalt oder eine Schotterpiste. Die Bäume spenden Schatten. Da ist die Hitze einigermaßen auszuhalten. Mitte September bei der nd-Wanderung ist es sicherlich nicht mehr so heiß, sagen wir uns.

Nun müssen wir vor dem Ziel noch zwei knackige Anstiege bewältigen. Auf der kurzen Strecke gibt es nur einen Anstieg, der kürzer und sanfter verläuft. Aber wer die lange Strecke nimmt, sei gewarnt, dass er sich ein wenig Puste aufspart, um kurz vor dem Ziel nicht schlapp- zumachen. Auf dem Bergkamm zweigt ein Weg nach rechts ab. »Der höchste Berg Berlins« ist ausgeschildert. Die höchste natürliche Erhebung der Bundeshauptstadt, die Spitze des Großen Müggelbergs ist nur etwa 250 Meter entfernt. Doch wir laufen weiter zum Kleinen Müggelberg, wo man vom 29,61 Meter hohen Müggelturm einen herrlichen Ausblick über die Baumkronen hinweg hat. Der neungeschossige Turm mit Panoramafenstern entstand 1960 nach einem Architekturwettbewerb, den die »Berliner Zeitung« ausgelobt hatte und den ein Studentenkollektiv der Kunsthochschule Berlin-Weißensee gewann. Die Bevölkerung spendete damals für den neuen Müggelturm 13 000 Mark und leistete 3700 freiwillige Arbeitsstunden. Der alte Turm war 1958 abgebrannt.

Wer heute auf den Aussichtsturm hinauf möchte, muss sich an der Theke einen Chip kaufen. Aber dorthin gehe ich allein, weil ein Schild untersagt, mit Hund ins Restaurant oder auch nur auf die Terrassen zu kommen. Keine Bange: Bei der nd-Wanderung gibt es am Ziel einen Bereich, in dem Hunde erlaubt sind. So aber wartet Gerhard mit Lotta auf dem Parkplatz, während ich ein Eis hole.

Ein Bier trinken wir dann im Ausflugslokal »Rübezahl« am Müggelsee. Dort darf sich Lotta unbehelligt unter den Tisch legen. An der Haltestelle »Rübezahl« hält der Bus zum S-Bahnhof Köpenick, der sich am 16. September für die Heimfahrt empfiehlt.

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