Überschuss auf Kosten der Infrastruktur

Bund, Länder und Gemeinden erwirtschafteten im ersten Halbjahr ein Plus von 48,1 Milliarden Euro

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Staat spart derzeit ordentlich Geld. Das Statistische Bundesamt bezifferte am Freitag den Überschuss von Bund, Ländern und Kommunen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf insgesamt 48,1 Milliarden Euro. Gemessen an der Wirtschaftsleistung bedeutet dies eine Überschussquote von 2,9 Prozent. Doch Experten warnen, dass an der falschen Stelle gespart wird. Vor allem Kommunen brauchen mehr Mittel, um in den Erhalt ihrer In-frastruktur zu investieren.

Eigentlich wäre dazu gerade der richtige Moment - auch im zweiten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,3 Prozent gestiegen. Und eine gute Konjunktur bedeutet für den Staat in der Regel höhere Steuereinnahmen. So stiegen die Einnahmen durch Einkommens- und Vermögenssteuern im ersten Halbjahr um 7,2 Prozent. Auch die niedrigen Zinsen trugen zum Plus im Staatshaushalt bei.

Zwar investiert der Staat wieder mehr als in vergangenen Jahren, doch scheint dies nicht genug zu sein. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sollte »jetzt endlich die öffentliche Investitionslücke schließen, um den sozialen Zusammenhalt und Zukunftschancen zu stärken«, erklärte der Vizefraktionschef der LINKEN im Bundestag, Fabio De Masi.

Erst vor einer Woche sorgte die staatliche Förderbank KfW mit einer Zahl für viel Aufregung: Ihr zufolge beläuft sich allein der Investitionsrückstand an kommunalen Schulen und Kitas auf 55 Milliarden Euro. Insgesamt geht die KfW von einem Bedarf von 159 Milliarden Euro aus, um die kommunale Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen.

»Man sollte sich jetzt Gedanken machen, wie man Kommunen unterstützen kann, die noch nicht investieren können«, sagte Konjunkturexperte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber »nd«. Ihm zufolge entfällt der Großteil des öffentlichen Investitionsstaus auf die Kommunen und dort vor allem auf Bildung und Straßen.

Dabei ist die Situation der Kommunen bei weitem nicht so rosig wie die von Bund und Ländern. Vom Milliardenüberschuss der ersten sechs Monate entfielen auf sie nur 6,6 Milliarden, während der Bund ein Plus von 19,5 Milliarden und die Länder ein Plus von 13,1 Milliarden Euro verzeichneten. Hinzu kommt, dass es weiter eine große Kluft zwischen reichen und armen Kommunen gibt, die nicht investieren können.

Bei Bund und Ländern gibt es Michelsen zufolge bezüglich des Investitionsstaus keine so präzisen Schätzungen wie bei den Gemeinden. Sein Institut schätzte 2013, dass Bund und Länder damals jährlich zehn Milliarden Euro zu wenig in die Infrastruktur investiert haben. Mittlerweile hat vor allem der Bund etwas aufgestockt, so dass er nicht mehr auf Verschleiß fährt. »Doch ist dies nicht genug, um die vergangenen Jahrzehnte wieder vergessen zu machen«, so Michelsen.

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