Kluft bei der Kinderbetreuung

Vor allem in den ostdeutschen Ländern herrscht ein Fachkräftemangel in den Einrichtungen

Die am Dienstag erschienene Bertelsmann-Studie ist ein wichtiger Qualitätsmesser für die Kindergartenlandschaft in Deutschland. Sie hat eruiert, wie viele Erzieherinnen sich um die Kinder kümmern. Für das Klima in den Einrichtungen ist das von großer Bedeutung. Schließlich entscheidet der Personalschlüssel darüber, wie groß die Gruppen sind. Bei einem vorteilhaften Schlüssel sollte es auch die Möglichkeit für Fachkräfte geben, sich aus dem laufenden Betrieb zurückzuziehen, um Leitungsaufgaben zu übernehmen. Erziehungswissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass kleine Gruppen weniger Stress bedeuteten und den Kita-Alltag insgesamt kindgerechter gestalteten.

Seit Jahrzehnten existieren jedoch große Unterschiede bei der Kita-Betreuung. In Ostdeutschland werden deutlich mehr Kleinkinder in die Betreuung gegeben als in Westdeutschland, wo erst in den vergangenen Jahren flächendeckend Krippen für Kleinkinder aufgebaut wurden. Nur langsam nähern sich die Betreuungsquoten zwischen West und Ost an. Befand sich in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr etwa jedes zweite Kleinkind in einer öffentlichen Betreuung, so war es in Nordrhein-Westfalen nur jedes vierte.

Dieser Ost-West-Unterschied spiegelt sich auch in der Bertelsmann-Studie wider: Die Personalschlüssel sind nämlich in den Ost-Ländern durchweg größer. Im vergangenen Jahr kamen in den Krippen auf eine Fachkraft im Durchschnitt 6,0 Kinder, in den West-Ländern waren es 3,6 Kinder. Auch in den Kindergärten für Drei- bis Sechsjährige ist das Bild ähnlich: Im Osten betreute 2017 eine Fachkraft im Schnitt 11,9 Kinder, im Westen dagegen nur 8,4 Kinder.

Zwar hat sich die Qualität in den Einrichtungen in den vergangenen Jahren vielerorts etwas verbessert, doch insgesamt sind die Personalschlüssel noch weit entfernt von den Empfehlungen der Erziehungsexperten. Für eine gute Betreuung müsste sich demnach eine Fachkraft um drei Krippen-Kinder kümmern, und in den Kindergärten eine Erzieherin um siebeneinhalb Kinder.

Wegen der großen regionalen Unterschiede bei der Betreuung fordert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, insbesondere den ostdeutschen Ländern mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um bei der Kita-Qualität aufzuholen. Er sprach sich auch dafür aus, das von der Bundesregierung geplante Gute-Kita-Gesetz nachzubessern. Derzeit befindet es sich in der Ressortabstimmung. »Ohne bundesweit einheitliche und gesetzlich geregelte Standards bleibt der Flickenteppich bei der Kita-Qualität.«

Unterstützung erhielt Dräger von Marlis Tepe, der Vorsitzenden der Erziehungsgewerkschaft GEW. Auch sie rief den Bund dazu auf, die unterschiedlichen Standards anzugleichen. Weniger überzeugt ist davon allerdings der Deutsche Städtetag. Sein Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy befürchtet, dass man dann den sehr unterschiedlichen Konzepten der Kitas vor Ort nicht mehr gerecht werden würde.

In den anstehenden Verhandlungen über das Gute-Kita-Gesetz forderte die Bertelsmann-Stiftung Bund und Länder auf, sich auf eine Verbesserung der Personalschlüssel und der Leitungsausstattung zu konzentrieren. Für ein »falsches Signal« hält Dräger es, den Fokus auf die Beitragsfreiheit zu setzen. Die ohnehin zu geringen Mittel des Bundes sollten nicht für eine generelle Beitragsfreiheit eingesetzt werden. Er regt stattdessen dazu an, nur Familien unterhalb der Armutsgrenze von den Beiträgen zu befreien. Kosten würde dies der Stiftung zufolge rund 700 000 Millionen Euro im Jahr.

Das Familienministerium verteidigte dagegen das Gute-Kita-Gesetz. Weil die Ausgangslagen und der Entwicklungsbedarf in den Ländern sehr unterschiedlich seien, gebe es in jedem Land auch unterschiedliche Handlungsbedarfe, sagte ein Sprecher des Ministeriums. »Jedes Land weiß, woran es mangelt, und ist für die entsprechenden Maßnahmen verantwortlich.« Diese Handlungsfelder seien mit den Ländern in einem mehrjährigen Prozess vereinbart und durch Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz bestätigt worden.

Auch das Ziel der Gebührenfreiheit verteidigt das Familienministerium: »Wenn Kinder aufgrund zu hoher Gebühren nicht in die Kita gehen können, nutzt ihnen auch kein qualitativ hochwertiges Angebot«, sagte der Sprecher. »Aus diesem Grund ist die Möglichkeit der Gebührenreduzierung bis hin zur Beitragsbefreiung ein wichtiger Baustein des Gesetzes.«

Bayern geht indes einen eigenen Weg, um die Kinderbetreuung bezahlbar zu machen. Beiträge will die CSU-Regierung zwar nicht streichen, weil sie eine »Gratis-Mentalität« ablehne. Aber ab September führt das Land ein eigenes Familiengeld ein. Eltern erhalten für ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr monatlich 250 Euro, ab dem dritten Kind 300 Euro. »Wir setzen auf die direkte Entlastung der Eltern und nicht nur auf ein einziges Betreuungsmodell«, erklärte Ingrid Heckner, stellvertretende Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag die Idee. Ob die Leistung auch für Hartz-IV-Betroffene gilt, ist bislang jedoch unklar. Darüber streitet Bayern noch mit dem Bund.

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