Helfer für Rechte in sächsischen Behörden

Grüne und LINKE im sächsischen Landtag fordern eine Sondersitzung zur Klärung, wie es zu dem Durchstechen eines Haftbefehls an Rechte kommen konnte

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Chemnitz. Die Behörden des Freistaats Sachsen kommen derzeit nicht aus den Schlagzeilen heraus. Seit Dienstagabend wird ein Haftbefehl des Amtsgerichts Chemnitz für einen der mutmaßlichen Täter der tödlich verlaufenen Messerstecherei in Chemnitz auf verschiedenen, rechten Internetseiten verbreitet. Das Schreiben enthält in einigen Versionen unter anderem den vollen Namen des Verdächtigen.

Das Veröffentlichen eines Haftbefehls mitsamt der Angaben des mutmaßlichen Täters ist strafbar. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ein Ermittlungsverfahren wegen der Weitergabe von Dienstgeheimnissen eingeleitet. Sie geht laut dpa von der Echtheit des Dokuments aus. Die Prüfungen dazu seien aber noch nicht abgeschlossen. Noch ist unklar, wer für das Leck verantwortlich ist: »Es muss nicht zwingend auf Behördenebene liegen«, heißt es in einer Mitteilung des sächsischen Innenministeriums auf Twitter.

Grüne und LINKE im Sächsischen Landtag fordern eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, der klären soll, wie das sensible Behördendokument an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Es wäre die zweite Sondersitzung des Parlamentes innerhalb kurzer Zeit. Wegen der rechtsextremen Ausschreitungen am Montag in Chemnitz und dem nur unzureichenden Polizeiaufgebot, das nicht in der Lage war, gewaltbereite Neonazis von Gegendemonstrant*innen zu trennen, ist eine Sondersitzung des Innenausschusses für Montag angesetzt.

»Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang« sagte der rechtspolitische Sprecher der LINKEN Sachsen, Klaus Bartl, dem »nd«. Das Veröffentlichen des Haftbefehls mit Namen sei eine »neue Eskalationsstufe im Schüren pogromartiger Stimmung« gegenüber Migrant*innen unter Ausnutzung des Todes eines jungen Manns. Er forderte umgehende Aufklärung, wie es zu der Veröffentlichung kommen konnte: »Der Kreis derer, die ein solches Dokument in die Hände bekommen, ist klein«, so Bartl. Neben dem Ermittlungsrichter und der Staatsanwaltschaft hätten nur der Beschuldigte selbst, dessen Rechtsbeistand, Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt, die Polizei, sowie Sachbearbeitende Zugang zu dem Dokument. Dass der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft, die Haftanstalt oder der Ermittlungsrichter das Dokument weitergeben, halte er jedoch für »äußerst unwahrscheinlich.«

Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen in Sachsen, Valentin Lippmann, kritisierte gegenüber »nd« die Geschehnisse: »Die rechtswidrige Veröffentlichung des Haftbefehls ist der traurige Höhepunkt in einer Reihe beispielloser Vorgänge in der sächsischen Polizei und Justiz.« Derzeit sei nicht klar, von wem das Dokument veröffentlich worden sei. Es sei aber nicht das erste Mal, wenn in Sachsen von offizieller Seite Dokumente an Rechte weitergegeben würden. »Es gibt Lecks in den Behörden in die rechtsextreme Szene hinein.« Große Hoffnung auf Aufklärung habe er nicht. Gegenüber »nd« forderte er von der Staatsregierung »konkrete Maßnahmen zur Fortbildung und Aufklärung« der Mitarbeiter*innen in Justiz und Polizei.

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