Rechter Politiker soll Haftbefehl verbreitet haben

Bremer Bürgerschaftsabgeordneter Jan Timke von der rechten Wählervereinigung »Bürger in Wut« unter Verdacht

  • Lesedauer: 3 Min.

Chemnitz. Der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Jan Timke soll den Haftbefehl im Fall der tödlichen Messerattacke in Chemnitz rechtswidrig an die Öffentlichkeit gebracht haben. »Wir haben einen Hinweis bekommen«, sagte Oberstaatsanwalt Frank Passade am Donnerstag in Bremen. Timke ist Bundespolizist und Mitglied der rechten Wählervereinigung »Bürger in Wut«. Sein Dienstverhältnis bei der Bundespolizei ruht, solange er in der Bürgerschaft sitzt. Die Ermittler durchsuchten nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits am Mittwoch die Wohnung des Mannes in Bremerhaven. Darüber hatte zunächst Radio Bremen berichtet.

Timke habe den Haftbefehl inzwischen von seiner Facebook-Seite entfernt, sagte Passade. Wie das Dokument überhaupt ins Internet gelangt war und weiterverbreitet werden konnte, ist weiter unklar. In Dresden ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Das teilweise geschwärzte Dokument wurde unter anderem auf Internetseiten der rechtspopulistischen Gruppe Pro Chemnitz, einem Kreisverband der AfD sowie des Pegida-Gründers Lutz Bachmann verbreitet. Timke selbst war auf dpa-Anfrage für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Er kündigte aber auf seiner Facebook-Seite an, sich noch am Donnerstag zu den Vorwürfen äußern zu wollen.

Nach Paragraf 353d des Strafgesetzbuches kann mit bis zu einem Jahr Haft oder einer Geldzahlung bestraft werden, wer amtliche Dokumente eines Gerichtsverfahrens - wie einen Haftbefehl - veröffentlicht, »bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist«.

Die Veröffentlichung des Haftbefehls gegen einen Tatverdächtigen nach der tödlichen Chemnitzer Messeratttcke hatte bundesweit für Aufregung gesorgt. Der Deutsche Richterbund verurteilte die Aktion scharf. Es sei »unverantwortlich, dass hier zur politischen Stimmungsmache die Arbeit der Justiz sabotiert und rechtsstaatliche Grundsätze missachtet werden«, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Donnerstag). Der Vorfall sei geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Institutionen zu beschädigen.

Rebehn sagte, ein vergleichbarer Fall sei ihm nicht bekannt. Die Veröffentlichung beeinträchtige ein rechtsstaatliches Verfahren, weil es Zeugen beeinflussen und weitere Ermittlungen erschweren könne. »Zudem stellt es den Beschuldigten öffentlich an den Pranger«, sagte Rebehn. Deshalb sei es richtig und wichtig, dass die Staatsanwaltschaft jetzt mit Nachdruck untersuche, wer den Haftbefehl im Chemnitzer Fall öffentlich gemacht hat.

Aufklärung fordert auch der Deutsche Anwaltverein (DAV). Michael Rosenthal, Mitglied des DAV-Strafrecht-Ausschusses, verwies in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« darauf, dass die persönlichen Daten eines Beschuldigten geschützt werden müssten. Auch Ehefrauen und Kinder könnten betroffen sein, wenn derartige Dokumente veröffentlicht werden. »Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, Selbstjustiz darf es nicht geben.« Agenturen/nd

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