Rezepte in Grün, Weiß und Nass

Wie müssen sich Städte verändern, um bewohnbar zu bleiben? Zum Beispiel Karlsruhe?

  • Sönke Möhl, Karlsruhe
  • Lesedauer: 4 Min.

Hitze zwei Wochen lang im Urlaub in Andalusien oder auf Sizilien - wunderbar. Aber einen ganzen Sommer in Deutschland, im Alltag, in Großstädten? Wissenschaftler wie der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber warnen angesichts des Klimawandels bereits vor einer Heißzeit. Wie passen sich Städte in Deutschland an? Drei Beispiele.

Karlsruhe: Die Stadt liegt in Deutschlands wärmster Ecke und befasst sich schon lange mit dem Thema, hat aber ein Problem mitten im Zentrum. Nach jahrelangen Bauarbeiten an einem Straßenbahntunnel wird gerade der Marktplatz wieder hergerichtet. Allerdings als Steinwüste ohne Bäume - entsprechend der 200 Jahre alten Pläne des Architekten Friedrich Weinbrenner.

Die Stadt will nicht nur den historischen Charakter des Platzes erhalten. Wegen einer unterirdischen Haltestelle und vieler Leitungen dicht unter der Oberfläche könnten keine Bäume gepflanzt werden, sagt Heike Dederer vom Stadtplanungsamt. Immerhin sollen helle Steinplatten bald den hitzeflirrenden Asphaltbelag ersetzen. Wasserspiele auf einer Fläche von 180 Quadratmetern und 31 in den Bodenbelag integrierte Düsen mit bis zu 1,5 Meter hohen Wasserstrahlen sollen zu einem angenehmen Klima beitragen, erklärt Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). »Ich bin überzeugt, dass Groß und Klein dieses Angebot in Sommern wie dem gegenwärtigen gerne annehmen werden.«

In der neuen Fußgängerzone will die Stadt doppelt so viele Bäume pflanzen, wie ursprünglich geplant. Dabei sind nicht mehr Ahorn oder Säuleneiche erste Wahl, sondern der Zürgelbaum, der Hitze und Trockenheit besser verträgt. Nach Mentrups Angaben muss Karlsruhe schon in den nächsten 20 Jahren mit einem Temperaturanstieg von mindestens vier Grad rechnen. »Das heißt unmissverständlich: Wir müssen jetzt die Weichen stellen, um das Klima in der Stadt - auch für die nachfolgenden Generationen - erträglich zu gestalten.«

In den Wohnquartieren aus der Gründerzeit konzentrieren sich Planerin Dederer und ihr Team auf die Höfe im Inneren der geschlossenen Wohnblocks. Dort seien im Laufe der Jahre sehr viele Schuppen und überbaute Bereiche entstanden. Hier wieder Grünflächen zu schaffen, sei dringend nötig. »Verdunstungskühlung ist das Zauberwort«, sagt Dederer. Wie es geht, zeigt der neue Stadtteil Südost. Die mehrgeschossige Bebauung ist immer zumindest zu einer Seite hin offen. Alle Flachdächer sind begrünt und ein neuer Park mit See bildet eine Grünachse entlang der Hauptstraße Richtung Innenstadt. Die Fassaden sind hell, denn weißer Putz reflektiert deutlich mehr Sonnenlicht als etwa dunkler Backstein. Als Belüftungsachsen können auch Straßenbahntrassen dienen. Sie sollen, wo immer möglich, zu grünen Rasentrassen werden. Diese müssen aber bewässert werden, um Wirkung zu haben. »Vielleicht hängt man einfach einen Bewässerungswagen an die letzte Straßenbahn des Tages an«, schlägt Dederer vor.

Berlin: Seit 2011 gibt es einen Stadtentwicklungsplan Klima. Nach Angaben des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung wird die Hauptstadt im Jahr 2100 klimatisch mit dem südfranzösischen Toulouse vergleichbar sein. Die Sommer könnten dann im Durchschnitt etwa drei Grad heißer sein als heute. Es geht um viele kleine Maßnahmen, die insgesamt die Stadt widerstandsfähiger gegen steigende Temperaturen und zunehmende Unwetter machen sollen. Sie reichen von Wäldern mit stressresistenten Bäumen bis zur Dachbegrünung, von der Renaturierung von Gewässern bis zur Vergrößerung der Kanalisation. Ein Baustein ist das Tempelhofer Feld, der frühere Stadtflughafen. Mit einem Volksentscheid verhinderten die Berliner 2014 eine Randbebauung. Die Fläche von insgesamt gut drei Quadratkilometern ist unter anderem für die Entstehung nächtlicher Kaltluft bedeutsam. Ein wichtiges Projekt in der Hauptstadt ist auch die Entsiegelung und Begrünung von Höfen in stark verdichteten Stadtgebieten.

Hamburg: Die Hansestadt hat ein zusätzliches Problem. Der steigende Meeresspiegel mit höher auflaufende Sturmfluten bedroht Teile der Stadt und den Hafen. Daher werden die Flutschutzeinrichtungen massiv verstärkt. Am nördlichen Hafenrand, zwischen Landungsbrücken und Hafen-City, einer bei Touristen sehr beliebten Gegend, entsteht ein massiver Wall aus Beton. Er versperrt zwar die Sicht auf die Elbe, ist aber tribünenartig gestaltet, so dass er eine Flaniergelegenheit vor der Hafenkulisse bietet. In der relativ jungen Hafen-City selbst gibt es keine Abgrenzung zum Wasser. Bei Sturmflut wird der Stadtteil zu großen Teilen überflutet. Einige Straßen sind erhöht gebaut, alle Gebäude stehen auf künstlichen Anhöhen und haben gegen Wasser geschützte Sockelgeschosse. dpa/nd

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