Wie hältst du es mit #Aufstehen?

Bundesgeschäftsführer Schindler: Initiative keine Idee der Linkspartei / Wagenknecht erkärt Bildung einer linken Regierung zum Ziel / Ramelow: Projekt polarisiert die Partei

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Berlin. Nach der Vorstellung der neuen linken Sammlungsbewegung »Aufstehen« ist die Parteispitze der LINKEN auf Abstand gegangen. »Die Initiative 'Aufstehen' ist ein Projekt von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, das ist kein Projekt der Partei Die LINKE«, sagte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler am Dienstag in Berlin. Aufgabe der Linkspartei sei es, für die Stärkung der Linken und ihrer politischen Ziele zu kämpfen.

Von Mitgliedern und Mandatsträgern erwarte man, dass sie vor allem zu den Landtagswahlen in Bayern und Hessen »ihre ganze Kraft« einsetzten, »dass wir als Partei Die Linke gestärkt hervorgehen«, sagte Schindler. Auch von der Bundestagsfraktionschefin Wagenknecht erwarte er, dass sie sich »mit voller Kraft dafür einsetzt«, dass die Fraktion gestärkt werde und als Vertretung der Partei im Parlament dargestellt werde.

Wagenknecht hatte zuvor die neue Sammlungsbewegung vorgestellt, die nach ihren Angaben bereits mehr als 100.000 Unterstützer habe, die im Internet ihr Interesse erklärten. Wagenknecht rief die künftige Bildung einer linken Regierung in Deutschland als Ziel aus. Gegen die Bildung gesellschaftlicher Bündnisse habe die Partei »überhaupt nichts«, sagte Schindler. Alle Personen und Bündnisse seien eingeladen, an einer linken gesellschaftlichen Mehrheit mitzuwirken. Auch einem Politikwechsel verschließe sich die LINKE nicht, sagte er auf die Frage, ob SPD, Grüne und Linkspartei sich das Leben gegenseitig nicht unnötig schwer machten.

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Neue Querelen in der Partei befürchtet Schindler nach eigenen Worten nicht: »Ich sehe nicht, wie das innerhalb der Linkspartei zu irgendeinem innerparteilichen Streit führen kann«, erklärte er und verwies auf den Parteitag vom Juni, als die Partei vergeblich versucht hatte, interne Streitereien etwa zur Flüchtlingspolitik zu beenden.

Ramelow: Aufstehen polarisiert eher die LINKE als Partei

Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow hält die Wagenknecht/Lafontaine-Initiative für einen Fehler. »Eine Bewegung muss von unten heraus entstehen und nicht in einer Partei«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Sammlungsbewegung »polarisiert nicht in der Gesellschaft, sondern sie polarisiert aktuell eher die Linke als Partei. Das halte ich für falsch«. Er fügte hinzu: »Ich bezweifle aber, dass sie als Online-Bewegung viel in Gang bringen kann.«

Kritik äußerte auch der Koordinierungskreis der Emanzipatorischen Linken (Emal.Li). »Aufstehen« vertiefe Gräben in der gesellschaftlichen Linken mehr als es dazu beizutrage, dass sie überwunden werden, heißt es in einer Erklärung vom Dienstag. Progressive Politik dürfe nicht »nur zum Ziel haben, AfD-Wähler*innen dazu zu bewegen, andere Parteien zu wählen, die mit weniger Verharmlosung von Rassismus und weniger Denunziation von Emanzipationsbewegungen als die AfD daher kommen.« Stattdessen müsse es darum gehen, ein emanzipatorisches Gegenmodell zum Rechtsruck und zum gesellschaftlichen Rollback zu formulieren und Lösungen anbieten, die »eine grundsätzliche Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen artikulieren«.

Auch vom Bundesvorstand des Forum Demokratischer Sozialismus (fds) gab es in einer Erklärung vom Dienstag ablehnende Töne zu hören. »Die Anlage und Öffentlichkeitsarbeit von #aufstehen vermittelt der LINKEN Basis, also unseren Genossinnen und Genossen den Eindruck, sie müssten sich entscheiden, 'stehe ich auf oder nicht, für wen werbe ich auf der Straße?'«

Bartsch: LINKE allein nicht fähig, Veränderungen durchzusetzen

Unterstützung erhielt »Aufstehen« dagegen von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Es gebe einen Kulturkampf von rechts, sagte Bartsch am Dienstag im SWR-»Tagesgespräch«. Da sei ihm jede Idee, die etwas dagegen tue, willkommen. Er rate dringend, zu schauen, ob es ein »Aufstehen« gebe. Der Titel sei klug gewählt, fügte Bartsch hinzu. Er stehe für die Stärkung der Linken und wenn dieses Projekt dabei helfe, sei das nur gut. »Die LINKE zeigt an vielen Stellen, wie aktiv wir sind«, betonte Bartsch. »Aber wir müssen ja konstatieren, dass die Linke allein nicht fähig ist, die gesellschaftlichen Veränderungen durchzusetzen, die notwendig wären.«

Auch Linksfraktionsvize Sevim Dagdelen begrüßte die Sammlungsbewegung. »Ich sehe die Sammlungsbewegung als Aufbruch, der hilft, den Vormarsch der Rechten zu stoppen. Dafür wollen wir die sozialen Themen, die Millionen auf den Nägeln brennen, endlich wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion stellen«, erklärte Dagdelen im Interview mit dem Nachrichtensender n-tv. Die große Zahl an Unterstützern zeige, »wie groß der Wunsch nach einer tiefgreifenden Veränderung ist«.

Es gebe in der Bevölkerung unbestreitbare Mehrheiten für eine andere Politik hinsichtlich höherer Löhne, Renten, bezahlbare Mieten, gerechtere Steuern »und mehr Sicherheit, für Abrüstung und eine friedliche Außenpolitik statt immer neuer Auslandseinsätze der Bundeswehr.« Was es brauche, so Dagdelen, »sei ein Aufbruch für eine mehrheitsfähige Parteienkoalition, die eine solche Politik umsetzt.«

Der LINKEN-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi betonte ebenfalls seine Unterstützung für »Aufstehen«. »Früher hat man Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine immer die Spaltung der Linken vorgeworfen. Jetzt wollen sie sammeln – ist irgendwie auch nicht recht«, so De Masi am Dienstag im Deutschlandfunk.

Kipping: Eingeladen, sich gemeinsam gegen Rechtsruck zu stellen

Bereits am Sonntag hatte sich LINKEN-Parteichefin Chefin Katja Kipping erneut eher distanziert zu linken Sammlungsbewegung geäußert. »Es ist offen, was aus der Sammlungsbewegung wird«, sagte sie im »Sommerinterview« der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«. Maßgeblich werde die Frage sein, ob sich die Initiative daran beteilige, »dass wir fortschrittliche Mehrheiten links von Union und AfD schaffen. Dann freue ich mich über jede Initiative.«

Kipping sagte, Wagenknecht und ihre Initiative seien wie SPD und Grüne eingeladen, sich an einem gemeinsamen Prozess gegen einen Rechtsruck Deutschlands zu beteiligen. Sie kämpfe schon sehr lange darum, dass die Linke den Kampf um fortschrittliche Mehrheiten aufnehme. »Und ich freue mich, wenn Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht bei diesem Ziel jetzt mitmachen und wir dann gemeinsam an einem Strang ziehen können.«

Auch Co-Linkenchef Bernd Riexinger betonte seine Skepsis. »Gerade in Zeiten, in denen der braune Mob wieder ungehindert auf Menschenjagd gehen kann, muss die gesellschaftliche Linke ihre Geschlossenheit und ihre klare Haltung gegen Rechts demonstrieren«, sagte Riexinger dem »Handelsblatt«. »Sie muss jeden Anschein von Spaltung und des Zurückweichens vermeiden und entschlossen in die politische Auseinandersetzung darüber gehen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.« Alles andere würde ein fatales Signal der Schwäche und Ohnmacht aussenden. Agenturen/nd

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