LINKE und Grüne zweifeln an SPD-Vorschlägen
Sozialdemokratischer Fraktionschef Raed Saleh möchte Milieuschutz für die ganze Stadt
»Der Ruf nach Zentralismus eignet sich kaum als Startschuss für Revolten«, erklärt LINKEN-Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg auf nd-Anfrage. Sie reagiert damit auf einen Vorstoß von Raed Saleh, Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus. Er möchte ganz Berlin als Milieuschutzgebiet ausweisen. Das erklärte er auf dem Pressefest der SPD-Fraktion am Dienstagabend. Er bemängelte, dass sein Heimatbezirk Spandau sowie Steglitz-Zehlendorf bisher noch keine sozialen Erhaltungsgebiete ausgewiesen haben. »Dort muss der Senat auch gegen den Willen der Bezirke Milieuschutzgebiete ausweisen«, sagte er. Bezirke können in diesen Gebieten Mieter durch Auflagen bei Sanierungen und die Ausübung des Vorkaufsrechts besser vor Verdrängung schützen.
»Dass die Bezirke heute mehr Milieuschutzgebiete ausweisen, trägt zum Schutz der Mieter*innen bei und wurde von ihnen erkämpft; denn jedes Haus, das im Milieuschutzgebiet vom Land zurückgekauft werden kann, ist ein weiterer Baustein für die soziale Stadt«, so Gennburg. »Die Revolution in der Wohnungspolitik, wie der SPD-Fraktionschef sie ausruft, muss hingegen in jedem Rathaus von Spandau bis Treptow passieren«, so die Politikerin weiter.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund weist per Twitter darauf hin, dass in Spandau zumindest das derzeit laufende Grobscreening, eine Vorstufe zur Identifizierung von Kiezen, in denen die Bewohner von Verdrängung bedroht sind, abzuwarten sei.
Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, zeigt sich schwer genervt. »Derzeit scheinen sich die SPD-Spitzenmänner wöchentlich in mietenpolitischen Forderungen übertrumpfen zu wollen. Diese Strategie wird aber nicht aufgehen, denn der SPD fehlt die Glaubwürdigkeit bei diesem Thema«, sagt sie dem »nd«.
Es sei zwar positiv, dass die SPD jetzt Forderungen nach mehr Milieuschutz für ganz Berlin aufgreife »und endlich versteht, dass der Schutz von Bestandsmieter*innen zentral ist«, so Schmidberger weiter. Doch müssten die Sozialdemokraten mit gutem Beispiel vorangehen und dort, wo sie in Verantwortung stehen, auch handeln. »So könnten in Treptow-Köpenick oder Lichtenberg durchaus mehr Milieuschutzgebiete eingerichtet werden«, sagt sie. Und auch das Vorkaufsrecht könnte dort oft zum Zuge kommen - »und nicht wie bisher gerade einmal«.
Die Forderung, aus ganz Berlin ein Milieuschutzgebiet zu machen, klinge zunächst mieterfreundlich und sei auch zu begrüßen, so Schmidberger. »Sie ist jedoch kaum haltbar, da das Baugesetzbuch vorschreibt, dass die Gebiete juristisch und städtebaulich abgetrennte Bereiche sein müssen.« Dennoch forderten auch die Grünen eine Ausweitung und wollen bis zum Ende der Legislatur mindestens 1,5 Millionen Menschen mit Milieuschutzgebieten schützen.
»Viel wichtiger wäre es, dass wir endlich eine Regelung finden, dass Share Deals das kommunale Vorkaufsrecht, beziehungsweise den Milieuschutz nicht aushöhlen können«, erklärt die Politikerin. Bei diesen Verkäufen wechseln formal nicht Immobilien sondern Anteile einer Firma den Eigentümer, daher greift das bezirkliche Vorkaufsrecht nicht. Außerdem fließt auch keine Grunderwerbssteuer. »Wir als Koalition sollten jetzt gemeinsam handeln, das erwarten die Leute zu Recht von uns«, so Schmidberger. Personalie Seite 4
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