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Kleingärten finden fast alle gut
Diskussion zur Zukunft der Parzellen in Prenzlauer Berg / Runder Tisch soll Anlagen schützen
Andrea und Ella Leineweber haben den Weg vor ihrer Laube mit Kreide bemalt. Ella hat ein Schild gemalt und ihre Mutter Tee gekocht und gebacken. Ein Nachbar hat Marmelade vorbeigebracht, die er selber eingekocht hat. Andrea Leineweber legt noch ein Häkeldeckchen auf das Tablett: »Wir müssen und wollen uns öffnen«, sagt sie. Deshalb war es für sie auch keine Frage, sich am Tag der offenen Gärten zu beteiligen.
Um die Ecke im Biergarten der Kleingartenanlage Bornholm I und II in Prenzlauer Berg wird an diesem Samstag beim politischen Frühschoppen das große Thema Zukunft der Kleingärten debattiert. In der Diskussion geht es immer wieder um Arne Piepgras. Jener Investor, der durch die Querelen um das Kreuzberger Dragonerareal und das Weddinger Stadtbad bekannt geworden ist. Der Immobilienentwickler hatte im April in einem Brief an Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) vorgeschlagen, alle Kleingärten in Berlin zu räumen und nach Brandenburg umzusiedeln, damit die freigewordenen Flächen mit Wohnungen bebaut werden können. Die Empörungswellen unter den Kleingärtnern schlugen - verständlicherweise - hoch.
Beim Frühschoppen sollten Fraktionsmitglieder der Parteien im Abgeordnetenhaus Farbe zu den Kleingärten bekennen. Und das taten sie. Auf Einladung von »Tagesspiegel«-Berlinchef Robert Ide, der die Diskussion leitete, wurde eher einmütig als kontrovers diskutiert. Den Ton gab der terminbedingt nur zu Beginn anwesende Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup (SPD) vor. »Wenn ich mir die Koalition in Berlin anschaue, sind die Chancen 99,9 Prozent, die Kleingärten zu erhalten«, sagte er.
Die Debatte fand im Rahmen des alljährlichen Erntedankfestes statt. Musik, Spiel und offene Gärten standen am Wochenende auf dem Programm der beiden Schwesterkolonien. Gut hundert Kleingärtner lauschten bei Kaffee, frühem Bier und Gulaschsuppe den Ausführungen. Einige waren sichtlich erfreut, aber auch skeptisch. Schließlich sind in der wachsenden Stadt in den vergangenen Jahren rund 2000 Parzellen abgerissen worden. Auch die Kolonien in Prenzlauer Berg waren - zumindest teilweise - bedroht. Läuft doch die Schutzfrist für DDR-Kleingärten im Jahr 2020 aus.
Besonders nachdrücklich formulierte Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek ihren Standpunkt. »Für den einfachen Wohnungsbau möchte ich keine Kleingartenanlage aufgeben. Das werde ich Senatorin Lompscher mit auf den Weg geben. Ich werde mich vehement dagegen einsetzen, dass Kleingärten platt gemacht werden«, sagte sie. Auch Carola Bluhm (LINKE), Ülker Radziwill (SPD), Sebastian Czaja (FDP) und Stephan Lenz (CDU) vertraten die Auffassung, dass Kleingärten eine wichtige Funktion für die Stadt erfüllen und erhalten werden sollten.
Allerdings gab es innerhalb dieser Grundposition durchaus Unterschiede: Während FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja mehrfach für eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes plädierte, forderte Stephan Lenz die Kleingärtner auf, sich mehr zu öffnen. LINKEN-Co-Chefin Carola Bluhm erklärte: »Wir brauchen unbedingt Flächen vom Bund und von der Bahn.«
SPD-Vize-Fraktionschefin Ülker Radziwill forderte Tabus zu brechen und über Wohnungsbau außerhalb der Stadtgrenzen nachzudenken. Sie wandte sich vehement gegen Spekulanten, die »Mondpreise« aufrufen. »Wir stehen traditionell an der Seite der Kleingärtner. Aber die Herausforderung ist: Wir müssen für einen Ausgleich zwischen den Interessen sorgen.« Am Ende der Diskussion gab es sogar ein konkretes Ergebnis: Es wird in nicht allzu ferner Zukunft einen Runden Tisch aller Beteiligten zur Situation und Zukunft der Kleingärten geben.
An diesem Runden Tisch wird wohl auch der Präsident der Berliner Kleingärtner, Günter Landgraf, teilnehmen. Da im November ein erster Entwurf für einen neuen Kleingartenentwicklungsplan vorgelegt werden soll, dränge die Zeit: »Der Plan muss sich von einem Kleingartenvernichtungsplan zu einem Kleingartenschutzplan entwickeln. Wir kämpfen für eine konkrete Zahl x, wie viel Kleingartenfläche Berlin haben will«, sagte Landgraf dem »nd«. Außerdem müssten dort, wo in Berlin neu gebaut wird, auch neue Kleingärten entstehen, denn »zu neuen Wohnungen gehört auch neues Grün«.
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