Werbung

Ungarn droht Strafverfahren

Orban weist Kritik am Demokratieabbau zurück / EU-Parlament stimmt über Verfahren gegen Budapest ab

  • Lesedauer: 2 Min.

Straßburg. Ein EU-Strafverfahren gegen Ungarns rechtsnationale Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban rückt in greifbare Nähe. Es gebe in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der CDU, CSU und auch Orbans Fidesz gehören, Uneinigkeit darüber, ob in dem Land systematisch EU-Werte verletzt würden, erklärte Fraktionschef Manfred Weber (CSU) am Dienstagabend in Straßburg. Die einzelnen Abgeordneten könnten daher am Mittwoch frei abstimmen. Damit könnte die nötige Mehrheit im Europaparlament erreicht werden.

Am Mittwoch stimmt das Parlament in Straßburg darüber ab, ob gegen Ungarn ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet wird. Nötig wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das Verfahren könnte im äußersten Fall dazu führen, dass Budapest Stimmrechte im Ministerrat verliert.

In der EVP-Fraktionssitzung habe sich eine Mehrheit gegen Orban gestellt, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Vor allem Abgeordnete aus Skandinavien sowie aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg hätten sich kritisch geäußert. Unterstützung bekam Orban demnach von einzelnen Abgeordneten aus Kroatien und Italien. Die EVP stellt die größte Fraktion im EU-Parlament, ihr Abstimmungsverhalten ist daher maßgeblich.

Dem Antrag auf ein Rechtsstaatsverfahren liegt ein Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini zugrunde, in dem eine »systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn« festgestellt wird. Der Bericht verweist unter anderem auf Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Darüber hinaus gebe es Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen.

Große Bedenken gebe es vor allem wegen der Einschränkung der Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) sowie der akademischen Freiheit, sagte Weber weiter. Er selbst werde für die Einleitung des Strafverfahrens stimmen. Er habe auf ungarischer Seite nicht die Bereitschaft erkannt, zu Lösungen beizutragen.

Ungarns Regierung wies die Vorwürfe scharf zurück. Das Land werde seine Rechte verteidigen, stellte Orban am Dienstag im EU-Parlament klar. Auch gegenüber seinen Fraktionskollegen habe er keinerlei Einlenken signalisiert, hieß es aus Kreisen. Ein möglicher Fidesz-Ausschluss aus der EVP-Fraktion sei dennoch aber erst einmal vom Tisch.

Sollte ein Verfahren nach Artikel 7 eingeleitet werden, liegt die letztendliche Entscheidung über Strafmaßnahmen bei den EU-Staaten. Die EU-Kommission hatte ein solches Verfahren im Dezember bereits gegen Polen eingeleitet.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.