Gut Holz für’s städtische Klima

Laubgehölze sollen Wälder witterungsbeständig machen, dem Grundwasser tun sie auch gut

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Besuch in Berlins Wäldern offenbart die unmittelbaren Folgen der seit Wochen anhaltenden Trockenheit. So auch im Grunewald, wo an der Havelchaussee der rund viereinhalb Kilometer lange Schaupfad »Wald.Berlin.Klima« beginnt. Die Vegetation wirkt ermattet, das Gesträuch jenseits der staubigen Waldwege ist verdorrt, die Laubkronen lassen die erschlafften Blätter hängen, schon jetzt prasseln Eicheln auf den Waldboden. Dem Wald geht es nicht gut.

Dass es viel zu trocken ist, weiß auch Malte Münte vom Forstamt Grunewald, der sich als Förster vorstellt, aber als Forstexperte mit dem Berliner Mischwaldprogramm bestens vertraut ist. »Hier im Grunewald haben wir sehr viele Laubbäume. Der Laubwald ist insgesamt sehr viel stabiler gegenüber Klimaschwankungen als die hierzulande vorherrschenden Kiefernbestände«, sagt er. Münte, Jahrgang 1963, stammt ursprünglich aus dem niedersächsischen Celle, das wie die Region um Berlin zum norddeutschen Kieferngürtel zählt. Hier habe der Kiefernbesatz ursprünglich 25 bis 30 Prozent ausgemacht, heute stehe die Kiefer auf 65 Prozent der Waldflächen. »Unser Ziel ist es, hier mehr Eichen zu pflanzen, um uns dem natürlichen Bewuchs wieder anzunähern.« Auch der Anteil der Hainbuche und der Winterlinde werde erhöht.

Wie das geschieht, kann man sich bei einem Rundgang auf dem »Waldklimapfad« anschauen. Von einer Aussichtsplattform bieten sich Einblicke in »durchforstete« und noch nicht umgestaltete Waldabschnitte. An zehn Informationspunkten dieses Schau- und Lehrpfades, der im April 2017 im Rahmen der und als Ergänzung zur Internationalen Gartenausstellung (IGA) eröffnet wurde, erfährt man viel über Berlins Wälder, ihre Entstehung und Entwicklungsgeschichte, ihre Nutzung und Gefährdung durch den Menschen. Und es geht um die Bedeutung der Wälder, darunter auch des 3000 Hektar großen Grunewalds im Westen, für Klima und den Wasserhaushalt Berlins.

Rund eine Million Euro hat sich die Berliner Umweltverwaltung Konzeption und Umsetzung des Projekts kosten lassen, die Unterhaltung liegt beim Forstamt Grunewald. »Das Feedback seitens der Besucher ist enorm«, sagt Münte. Die Idee des Pfades sei auf Interesse potenzieller Nachnutzer gestoßen.

Was hat die Hauptstadt, was haben die Berliner davon, dass knapp ein Fünftel der Stadtfläche von Wald bedeckt ist? »Berlins Wälder sind in erster Linie Erholungswälder, ihr rein wirtschaftlicher Nutzen ist nachgeordnet«, lautet die eine Antwort. Doch sie sind, wie Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär für Umwelt und Klimaschutz, erläutert, vor allem auch ein gewaltiger CO2-Speicher. Rund elf Millionen Tonnen Kohlendioxid sind in der lebenden und toten Biomasse sowie in den Böden aller Berliner Wälder (von denen zwei fünftel in Brandenburg liegen) gebunden, 335 000 Tonnen kommen pro Jahr hinzu. Gut die Hälfte ist im Holz der Bäume sowie in toter Biomasse wie Blätter, Nadeln, Früchte, die sich als Humus anreichert, dauerhaft gespeichert. Daher sei es dem Klima zuträglich, wenn Holz - wie beispielsweise im Berliner Schulneubau und im Wohnungsbau - wieder eine größere Rolle spiele, so Tidow.

Bestätigung erhält der Staatssekretär durch zwei im Auftrag von Umwelt- und Forstverwaltung erstellte Studien, die am Montag präsentiert werden. So liefert die CO2-Studie, vorgestellt durch Joachim Rock vom Thüneninstitut für Waldökosysteme Eberswalde, den Beleg dafür, dass die Wälder bereits heute die größte Kohlenstoffsenke der Stadt sind.

Wie wichtig die Wälder für die Trinkwassergewinnung sind, belegt eine vom Büro Umweltvorhaben Berlin-Brandenburg (UBB) vorgelegte Studie. Anders als andere Millionenstädte kann sich Berlin selbst mit Trinkwasser versorgen. Das beziehe sie zu 58 Prozent aus Uferfiltrat der Flüsse und Seen. Ein Drittel jedoch lieferten die 650 meist in Wäldern liegenden Tierbrunnen, erklärt UBB-Geschäftsführer Klaus Möller. Für sie sei der Wald Schutzgürtel und Filter für Sickerwasser. Jährlich trügen die Wälder mit 12,5 Millionen Kubikmetern zur Wasserbilanz bei. Laut Möller liegt die Sickerwasserbildung unter Laubbäumen erheblich über der von älteren Kiefernbeständen - bei Eichen um mehr als 20 Prozent, bei Buchen um 35 Prozent.

In Berlins Wäldern soll der Anteil der Laubgehölze von derzeit 35 Prozent auf 60 Prozent im Jahre 2050 steigen. Folgt man der Studie, ist das eine gute Nachricht für das Grundwasser - 18 Millionen Kubikmeter Wasser, 44 Prozent mehr, brächte das.

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