Auf Kiezpatrouille

Die mobile Wache der Polizei in Friedrichshain soll das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken - ein Besuch

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 6 Min.

Der Junge mit der hellblauen Basecap und den grünen kurzen Hosen begrüßt alle Polizisten freundlich mit einem Handschlag. Von einigen der Beamten kennt er sogar die Vornamen. »Mein Schulweg geht täglich über die Warschauer Brücke zum U-Bahnhof«, sagt der Grundschüler. »Polizisten sind meine Helden. Natürlich sage ich hallo, wenn ich einen sehe.«

Eine Szene wie diese zaubert Stefan Kranich ein Lächeln ins Gesicht. Der groß gewachsene Polizeioberrat mit den kurzen braunen Haaren leitet seit mehreren Jahren stellvertretend den Polizeiabschnitt 51, der für den gesamten Stadtteil Friedrichshain zuständig ist. Der gebürtige Spandauer kennt den Kiez inzwischen wie seine Westentasche. »Mehr Innenstadt als Friedrichshain geht gar nicht. Ich arbeite sehr gerne hier«, sagt er. Seit rund drei Monaten steht Kranich mit seinen Kollegen von der mobilen Wache mehrmals die Woche auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Warschauer Straße. »Von hier aus haben wir alles ganz gut im Blick«, sagt Kranich und schaut auf den nicht enden wollenden Menschenstrom, der sich im Takt der Bahnen vom S-Bahnhof zum U-Bahnhof und umgekehrt über die Warschauer Brücke hin und her bewegt.

Manchmal positioniere sich sein Team, das aus acht bis 15 Beamten besteht, mit seinem Fahrzeug auch an der East Side Gallery vor der Mercedes-Benz-Arena oder weiter nördlich an der Revaler Straße vor dem RAW-Gelände. Auch die Simon-Dach-Straße mit ihren vielen Bars und Restaurants ist ein möglicher Standort.

»Die mobile Wache hilft uns, im Kiez flexibel und gleichzeitig präsent zu sein«, sagt der Polizeioberrat. Das Ziel sei, so viele Menschen wie möglich vor Straftaten zu schützen. »Tätern wollen wir das Leben schwer machen«, sagt Kranich.

Ausgestattet ist das Einsatzfahrzeug der mobilen Wache mit allem, was den Beamten auch in einer festen Dienststelle zur Verfügung steht: Laptop, Drucker, Telefon, Funk. Es gibt den elektronischen Zugriff auf alle polizeiinternen Systeme. Ganz günstig ist so ein Transporter nicht, er kostet ungefähr 100 000 Euro.

Mit der mobilen Einheit wolle man für die Bürger ansprechbar sein, erläutert Stefan Kranich. Vor dem Wagen baue man stets einen Tisch mit Informationsmaterialien auf, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen. »Wenn es sein muss, greifen wir aber auch durch«, sagt der Polizeioberrat. In dem bei Touristen und beim Berliner Partyvolk gleichermaßen beliebten Areal um die Warschauer Brücke haben die Polizisten vor allem potenzielle Drogendealer, Taschendiebe und Trickbetrüger im Visier.

Sven Heinemann, der für Friedrichshain-Kreuzberg in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses sitzt, kennt die Sorgen und Ängste der Anwohner in dem Viertel rund um die Warschauer Brücke. »Insbesondere der Drogenhandel auf der Straße ist für die Menschen eine wirkliche Belastung«, sagt er. Anfang dieser Woche hatte Heinemann zusammen mit Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) die mobile Wache besucht, um sich ein Bild von der Arbeit der Beamten zu machen.

»Ich freue mich über die verstärkte Sichtbarkeit der Polizei«, sagt Heinemann. Er habe das Gefühl, dass es schon merklich weniger Drogendealer im Kiez gebe, seit die mobile Wache dort ihre Runden dreht. Auf seinem Weg vom Ostkreuz zur Warschauer Brücke habe er jedenfalls keinen einzigen offensichtlichen Drogenhandel beobachtet. »Früher wurde man als Passant praktisch jeden paar Meter angesprochen, ob man nicht Dope, Speed oder sonst irgendeinen Mist kaufen wolle«, erzählt Heinemann. Der 39-Jährige, der aus Baden-Baden hergezogen ist, wohnt seit nunmehr 18 Jahren im dem Szenebezirk. »Für die Friedrichshainer sind die Polizisten auf der Straße ein wichtiges Zeichen«, sagt er. Mit der wachsenden Stadt müsse auch die Sicherheitsarchitektur wachsen, findet der Sozialdemokrat. »Die mobile Wache ist da ein entscheidender Baustein.«

Auch Innenstaatssekretär Torsten Akmann zeigt sich von dem neuen Polizeikonzept überzeugt. »Wir haben sehr positive Rückmeldungen von den mobilen Wachen bekommen. Wir sind mit dem Projekt auf dem richtigen Weg«, so fasst der Innenstaatssekretär seine Eindrücke zusammen.

Außer an der Warschauer Brücke sind in Berlin aktuell noch vier weitere Einsatzfahrzeuge als mobile Wachen unterwegs. Sie haben wie in Friedrichshain seit Ende Juni sogenannte Brennpunktgebiete mit erhöhter Straßenkriminalität im Blick. Die Beamten patrouillieren mit ihren Wagen im Bereich um das Märkische Zentrum am Wilhelmsruher Damm in Reinickendorf, den S-Bahnhof Schöneweide in Treptow-Köpenick, den Nollendorfplatz in Schöneberg sowie das Areal des Staaken-Centers an der Heerstraße in Spandau. Mit dem Projekt der mobilen Wachen will Innensenator Andreas Geisel (SPD) ausdrücklich mehr Polizisten auf die Straßen bekommen und dadurch das Sicherheitsgefühl der Berliner Bürger verbessern.

»Wir wollen die Präsenz der Berliner Polizei erhöhen, und das nicht nur an den Hotspots, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen«, hatte der Innensenator zum Einsatzbeginn der mobilen Wachen Ende Juni erklärt. Man wolle ganz bewusst in den Kiezen ansprechbar und sichtbar sein, in denen die Berliner wohnen. Das heißt im Klartext für die Beamten: Nicht einfach nur Streife laufen und nach Verdächtigen Ausschau halten, sondern auch mal gezielt Bürger ansprechen und nach den Sorgen und Nöten fragen. So machen es auch die Kontaktbereichsbeamten. Nur gab es von denen bislang viel zu wenige, nachdem diese Stellen vor Jahren im Zuge der Haushaltskürzungen drastisch reduziert worden waren.

Dass der persönliche Zugang wichtig ist, wenn man als Polizei mehr Bürgernähe demonstrieren will, findet auch Mandy Kirschnick. »Mit den mobilen Wachen sind wir nah an den Menschen. Die Berliner nehmen das Angebot gerne an und wir bekommen viel Zuspruch«, sagt sie. Kirschnick ist eine erfahrene Polizeibeamtin. Regelmäßig hat sie Dienst in der mobilen Wache an der Warschauer Brücke. »Die Aufgabe hier draußen macht mir Spaß und sie ist eine interessante Alternative zum Innendienst«, findet die Polizistin, die seit 2001 im Abschnitt 51 in Friedrichshain arbeitet.

Probleme, eine ausreichende Zahl von Kollegen für das neue Projekt der mobilen Wache zu mobilisieren, gäbe es in ihrem Abschnitt nicht. »Viele Kollegen melden sich freiwillig.« Niemand werde gegen seinen Willen zum Außendienst verdonnert. Überstunden seien die absolute Ausnahme, wie Kirschnick sagt.

Die rechte Opposition im Abgeordnetenhaus hatte vor einem Misserfolg der mobilen Wachen gewarnt und auf die mangelhafte Personalsituation bei der Polizei verwiesen. Burkard Dregger, der CDU-Fraktionsvorsitzende, hatte gar das Szenario von »Geister-Wachen« ohne ausreichend Personal heraufbeschworen. Hilfreicher als mobile Wachen seien aus seiner Sicht mehr Kameras zur Videoüberwachung an neuralgischen Punkten, so Dregger.

Der FDP-Abgeordnete und Innenexperte Marcel Luthe hatte Senator Geisel mit Blick auf die mobilen Wachen »Symbolpolitik« vorgeworfen. »Andreas Geisel beschäftigt sich einmal mehr mit Symbolpolitik zulasten der Polizeikräfte, die trotz hohen Krankheitsstands und Personalmangels nun irgendwo herumsitzen und darauf warten, dass etwas passiert«, wie Luthe zuletzt der »Berliner Morgenpost« gesagt hatte.

Der Innensenator hatte dem stets entgegengehalten, dass man trotz der ausbaufähigen Personalsituation nicht untätig bleiben könne und jetzt schnell mehr Polizisten auf die Straße bringen müsse. »Ich wollte nicht zwei weitere Jahre warten. Wir müssen jetzt handeln.«

Rumsitzen und darauf warten, dass etwas passiert? »So sieht unser Job hier nicht aus«, sagt Polizistin Kirschnick. Schon die gewonnene Sichtbarkeit sei ein Erfolg. Zudem seien die Beamten keineswegs untätig. Anders als es sich die Innenpolitiker vielleicht vorstellen, sei der mobile Außendienst auch nicht immer einfach , wie die Polizistin erzählt. Neben den Drogendealern seien handgreifliche Auseinandersetzungen, zu denen es an der Warschauer Brücke vor allem in den Abendstunden und unter Einfluss von Alkohol immer wieder komme, eine der größten Herausforderungen für die Beamten vor Ort. »Der gegenseitige Respekt in der Gesellschaft ist zurückgegangen«, so Kirsch᠆nick. Mehr Respekt - auch dafür wollen die Polizisten der mobilen Wache sorgen.

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