Raketen setzen Moor in Brand
Bundeswehr schießt trotz Trockenheit - Feuer in Niedersachsen schwelt seit zwei Wochen
»Irgendwo brennt es hier - man riecht es ganz deutlich.« Besorgt hatten sich zahlreiche Anrufer dieser Tage mit solchen und ähnlichen Meldungen an die Feuerwehren in Bremen und Hamburg gewandt. Doch kein Löschzug rückte aus, war in den Einsatzzentralen beider Städte doch bekannt, woher der Qualmgestank kam: von einem Testgelände der Bundeswehr im niedersächsischen Emsland nahe der Kreisstadt Meppen. Eine fünf Quadratkilometer große Moorfläche war dort vor gut zwei Wochen in Brand geraten, der Torf in der Tiefe schwelt immer noch.
Zwar ist Bremen von jenem Areal rund 130, Hamburg sogar 240 Kilometer entfernt, doch die Asche von brennendem Torf ist überaus leicht und wird vom Wind mitsamt dem Geruch auch über weite Strecken fortgetragen von dem Ort, an dem Soldaten am 3. September von einem Hubschrauber aus Raketen abgefeuert und damit unbeabsichtigt den trockenen Boden entzündet hatten.
Die Bundeswehr war bemüht, den Brand sogleich zu ersticken, doch sie erwies sich in puncto Moorfeuer als nur »bedingt abwehrbereit«. Eine für solche Einsätze gedachte Löschraupe versagte ihren Dienst, und ein Ersatzgerät war zur Zeit des Alarms in der Werkstatt. Bis ein Löschhubschrauber angeflogen war, hatte das Feuer genügend Zeit, sich auszubreiten - sowohl in der Fläche als auch in die Tiefe, etwa einen Meter in den Torf hinein.
Dort schwelt der Brand nach wie vor, und wie lange noch, ist nach Ansicht von Fachleuten nicht abzusehen. Immer mehr Einsatzkräfte mussten ausrücken, mittlerweile sind es rund 800: von Bundeswehr, freiwilligen Wehren und auch von Berufsfeuerwehren sowie vom Technischen Hilfswerk. Dessen Ehrenamtliche sorgen für den Transport von Löschwasser, für elektrischen Strom, Beleuchtung und Verpflegung am Ort des Geschehens.
Herbe Kritik an der Bundeswehr, die trotz Trockenheit Raketen über einem Moor abschießt, gibt es vom Naturschutzbund Deutschland. Der Brand töte Schlangen, Eidechsen und andere Kleintiere, darüber hinaus gelangten durch das Feuer etwa 500 000 Tonnen des Treibhausgases CO2 in die Luft, hat der NABU errechnet.
Kopfschütteln hat das Verhalten des Militärs auch in den Reihen der Politik ausgelöst. So betont Christian Meyer, brandschutzpolitischer Sprecher der Grünen im Niedersächsischen Landtag: »Dass die Bundeswehr nach diesem Hitzesommer in ausgetrockneten Mooren Schießübungen mit Luft-Boden-Raketen durchführt, ist absolut unverantwortlich.« Während die Bevölkerung zu Recht aufgerufen werde, in Wäldern und Mooren kein Feuer zu machen oder Zigaretten achtlos wegzuwerfen, lösten Waffentests großflächige Moorbrände aus, die noch Monate weitergehen können. Das beeinträchtige die Gesundheit von Menschen, löse erhebliche Emissionen von Treibhausgas aus und zerstöre wertvolle Moore, gibt der Abgeordnete zu bedenken.
»Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie die Bundeswehr zu mehr Brand- und Moorschutz anhält«, fordert Meyer. Auch müsse Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen »Konsequenzen ziehen und anscheinend die Richtlinien für Schießübungen an extreme Hitze und Dürre anpassen«. Dass infolge des Ausfalls von Löschfahrzeugen, der beiden Raupen, und des Verzichts auf einen präventiv bereitstehenden Löschhubschrauber anscheinend keine sichere Brandschutzvorsorge erfolgte, mache das Verhalten der Bundeswehr nur noch schlimmer, rügt der Politiker.
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