Das Dynamowerk bleibt
Drohende Schließung des Siemens-Standorts ist abgewendet, doch jede zweite Stelle entfällt
Für die Siemens-Beschäftigten im traditionsreichen Dynamowerk im Spandauer Ortsteil Siemensstadt brachte der Wochenbeginn ein Wechselbad der Gefühle. Als Unternehmensleitung und Gesamtbetriebsrat am Montag in München ihre Übereinkunft über den laut Konzern notwendigen Stellenabbau an den deutschen Standorten der Siemens-Kraftwerkssparte bekannt gaben, war da zunächst Erleichterung: Das noch im Sommer von Schließung bedrohte Werk bleibt als Produktionsstandort bestehen. Doch der Preis ist dennoch hoch: 430 Stellen werden in den kommenden zwei Jahren an der Nonnendammallee, wo in verschiedenen Sparten rund 870 «Siemensianer» arbeiten, abgebaut werden.
Es fällt Predrag Savic, dem Betriebsratsvorsitzenden, gar nicht so leicht, sich über den in zähen Verhandlungen erreichten Kompromiss zu freuen. «Es ist unser Erfolg, aber es fühlt sich nicht wie ein Sieg an», sagt er. «Wir haben eine Chance für unseren Standort erkämpft. Das Werk wird nun auch wirklich ein Werk bleiben, auch wenn die Fertigungstiefe künftig deutlich eingeschränkt wird.»
Die Kollegen müssten das Ergebnis bei aller Erleichterung über den Fortbestand des Dynamowerks erst einmal verdauen. «Es wurden keine Tomaten geworfen, aber die Stimmung ist natürlich gedrückt», so Savic. Von 717 Mitarbeitern, die es noch im März in der Produktion gab, würden nun immerhin 300 bleiben, und es werde Siemens enorm schwerfallen, betriebsbedingte Kündigungen durchzukriegen. Mit dieser Mitarbeiterzahl sei es realistisch, im Werk auch künftig eine Produktion zu halten und eben nicht nur den vielgepriesenen «Engineeringbereich».
Der Betriebsratschef erinnert daran, dass nach den ursprünglichen Siemens-Planungen ganze 150 Mitarbeiter vor Ort geblieben wären. «Das hätte die schleichende Schließung des Dynamowerks bedeutet», sagt Savic überzeugt. Dass diese Gefahr in den letzten Monaten noch abgewendet werden konnte, dafür hätten die Kollegen an allen deutschen Siemens-Standorten gemeinsam gekämpft. «Wir in Berlin haben auch etwas davon gehabt, dass uns die Kollegen an anderen Standorten unterstützt haben. Beispielsweise haben die Kollegen in Mühlheim, die als Produk᠆tionsstandort mit uns konkurrieren, für uns zurückgesteckt», sagt der engagierte Gewerkschafter. «Das war wirklich gelebte Solidarität der Arbeitnehmer der Siemens AG.»
Für die Zukunft setzt Savic auf das von Siemens und der Senatsspitze vorangetriebene Projekt eines Innova᠆tionscampus. Die Idee dazu sei im Dynamowerk für den Standort Siemensstadt entstanden, sagt er. «Der Campus wäre selbst in bescheidenerem Umfang ein wichtiges Standbein für uns, für unser Equipment, unser Personal und unser Know-how.
Der von Siemens und dem Gesamtbetriebsrat erzielte Interessenausgleich für die gesamte Kraftwerkssparte sieht in Deutschland den Wegfall von insgesamt 2900 Stellen vor. »Als Maßnahme zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit« werden damit an den deutschen Standorten 500 Stellen weniger als geplant gestrichen werden. Weltweit wollte Siemens 6900 Arbeitsplätze abbauen und rund 500 Millionen Euro einsparen, um die unter Überkapazitäten leidende Sparte für konventionelle Energieerzeugungsanlagen wieder flottzukriegen.
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