- Berlin
- Fachkräftemangel
Ausbildungsumlage in Berlin: Bremens nahende Fußstapfen
In Berlin wird die Ausbildungsumlage immer wahrscheinlicher, in Bremen gilt sie ab 2025
Was der Berliner Wirtschaft bisher nur angedroht ist, wird im Stadtstadt Bremen zum Jahreswechsel eingeführt. Hier spricht man von einer Ausbildungsumlage, in der Hansestadt vom Ausbildungsfonds. Zweck und Funktionsweise sind dabei im Wesentlichen gleich: Da in Bremen wie Berlin die Ausbildungsquote zu gering ist, sollen alle Unternehmen eine Abgabe zahlen. Betriebe, die genügend ausbilden, werden aber am Ende wieder entlastet. So sollen die Unternehmen zu einem größeren Einsatz für die betriebliche Ausbildung bewegt werden.
Um dem Fachkräftebedarf in der Hauptstadt zu begegnen, soll die Zahl der Auszubildenden um 2000 erhöht werden. Von 32 535 besetzten Stellen, die am 31. Dezember 2023 gemessen wurden, auf 34 535 Stellen am 31. Dezember 2025. Zuvor war das noch im Koalitionsvertrag von SPD und CDU genannte Feststellungsdatum vom 31. April 2025 zweimal verschoben worden.
Mit dem senatsgeführten Bündnis für Ausbildung aus Unternehmensverbänden, Gewerkschaften und Arbeitsagentur hat man sich auf einen 47 Maßnahmen starken Katalog verständigt, mit dem man das Ziel der 2000 Stellen erreichen will. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber in die falsche Richtung. So verzeichnet das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das die Zahlen für das Bündnis für Ausbildung bereitstellt, 2024 einen abermaligen Rückgang an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2013 ist die Zahl von 16 800 auf 14 600 gesunken. Die Zahl der angebotenen Stellen hat sich um 1,4 Prozent auf 15 700 Stellen verkleinert und kann die ebenfalls um 2,1 Prozent gesunkene Nachfrage nach 19 000 Stellen bei Weitem nicht auffangen. Bei der Angebot-Nachfrage-Relation steht Berlin laut BIBB mit 83,1 Prozent bundesweit an letzter Stelle.
»Wir fordern den Senat auf, sofort zu handeln und eine solidarische Ausbildungsumlage für Berlin einzuführen.«
Tonka Wojahn (Grüne)
Es deutet also wenig auf eine Umkehr der seit Jahren anhaltenden Ausbildungsplatzentwicklung hin. Vielmehr wird es immer wahrscheinlicher, dass ab 2026 das von der Berliner Arbeitsverwaltung entwickelte Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage zum Einsatz kommen wird. Bereits jetzt arbeite man an dem auf die Sozialdemokrat*innen zurückgehenden Gesetz, damit es – sollte man die 2000 zusätzlichen Auszubildenden nicht erreichen – »ohne Zeitverzögerung« umgesetzt werden könne, wie Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) im April sagte.
Dass ein solches Projekt rechtlich möglich ist, zeigt ein Blick nach Bremen. Dort hat der Staatsgerichtshof, das Bremer Verfassungsgericht, den Ausbildungsfonds in einem jüngsten Urteil rechtlich abgesegnet. Entgegen der Klagen etlicher Berufsverbände und der Unmutsbekundungen von CDU und SPD urteilte das Gericht, dass es angesichts der niedrigen Anzahl an Ausbildungsbetrieben und -plätzen durchaus verfassungskonform sei, ein solches Gesetz zu erlassen. Der Präsident des Gerichts verwies in der Urteilsbegründung explizit auf das Angebot-Nachfrage-Verhältnis. Bremen werde hierfür nach Berlin der zweitschlechteste Wert zugewiesen. Es sei zudem im Interesse der Unternehmen. Und: »Den Arbeitgebern kommt die historische gewachsene Aufgabe der Ausbildung zu«, begründete der Präsident des Gerichts das Urteil. Auch die Höhe der Abgabe sei verhältnismäßig.
Das Gesetz, welches 2023 unter Arbeitssenatorin Kristina Vogt (Linke) verabschiedet wurde, sieht vor, dass Unternehmen 0,27 Prozent der Arbeitnehmerbruttolöhne in den Fonds einzahlen und pro Auszubildende*n 2250 Euro zurückbekommen. Bei Gesetzesverstößen droht ein Bußgeld von bis zu 500 000 Euro. Betriebe, deren Löhne 150 000 Euro pro Jahr unterschreiten, können sich von der Abgabe befreien lassen. Mit einer Beispielrechnung will der Bremer Arbeitssenat verdeutlichen, wie kleine Betriebe von der Umlage profitieren. So würde ein großer Betrieb mit 93 Angestellten und sechs Auszubildenden 13 366 Euro Abgaben zahlen und 13 500 Euro Ausgleichszahlungen bekommen. Ein Betrieb mit fünf Angestellten und einem Auszubildenden würde lediglich 719 Euro zahlen, bekäme aber 2250 Euro.
In Berlin blieb das Bremer Urteil derweil nicht unbeachtet. »Die positive Gerichtsentscheidung in Bremen zur Ausbildungsumlage ist zu begrüßen«, erklärte etwa der SPD-Abgeordnete Sven Meyer. Das sei ein wichtiger Schritt, um die duale Ausbildung für die künftigen Herausforderungen zu stärken. Die Übertragbarkeit auf Berlin bleibe aber abzuwarten. Die Grünen-Abgeordnete Tonka Wojahn erklärte, dass der Maßnahmeplan des Bündnisses für Ausbildung die Situation nicht verbessert habe, »im Gegenteil: Immer mehr Jugendliche bleiben ohne Ausbildungsplatz«, teilte die Fraktionssprecherin für Aus- und Weiterbildung mit. »Wir fordern den Senat auf, sofort zu handeln und eine solidarische Ausbildungsumlage für Berlin einzuführen«, erklärte Wojahn.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg verweist indes auf die in einigen Branchen per Tarifvertrag gelebte Tradition der Ausbildungsumlagen, etwa in der Baubranche, wo die Umlage seit den 70er Jahren gilt, und im Garten- und Landschaftsbau. Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, nennt zudem das jüngste Beispiel für eine tarifliche Umlage: »Die Tischlerinnung hat in Berlin die Initiative ergriffen und mit der Gewerkschaft IG Metall eine entsprechende tarifliche Vereinbarung für eine Umlage abgeschlossen.« Techen appellierte an die Berliner Wirtschaftsverbände, in einen konstruktiven Dialog für einen Berliner Ausbildungsfonds einzutreten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.