Neue Vorwürfe gegen Berliner Geheimdienst
Auf den krisengeplagten Berliner Verfassungsschutz kommt neuer Ärger zu. Das ZDF-Politmagazin »Frontal 21« berichtete am Dienstagabend über einen Spitzel namens Emanuel P. des Nachrichtendienstes, der einem seinerzeit minderjährigen 16-Jährigen im Sommer 2015 eine Ausreise von Berlin über die Türkei zum Islamischen Staat mitorganisiert haben soll. Der V-Mann soll dem Jugendlichen Geld, Flugtickets und ein Quartier besorgt haben. In dem Fernsehbeitrag kommt der Jugendliche selber zu Wort. Der heute 19-Jährige kritisiert die Aktion des V-Mannes als »unmenschlich und kriminell«. Der Übertritt ins selbst ernannte »Kalifat« konnte seinerzeit nur knapp durch die türkischen Behörden verhindert werden, die den Jugendlichen anschließend wieder nach Berlin abschoben.
Auf nd-Nachfrage erklärte ein Sprecher des Verfassungsschutzes am Mittwoch: »Operative Vorgänge« kommentiere man grundsätzlich nicht. Dass damit der Fall einfach abgehakt wird, ist indes zu bezweifeln. Als Nächstes dürfte die V-Mann-Causa den Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigen. »Wir haben eine Reihe von Fragen, insbesondere ob ausgeschlossen werden kann, dass die V-Person weitere Minderjährige dem Dschihad zugeführt hat«, sagt der Innenexperte der Grünenfraktion, Benedikt Lux. Emanuel P. soll von Mai 2013 bis September 2015 als Vertrauensperson (VP), wie es im Behördenjargon heißt, geführt worden sein. Als der Verfassungsschutz Hinweise zur Ausreisehilfe für den Jugendlichen erhielt, soll er die VP abgeschaltet haben. Für Lux verstärkt der Vorgang unterdessen den Verdacht, dass gerade weil so viele V-Personen im Umfeld des Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri gewesen sind, hier etwas zurückgehalten wird.
Über die Ausreise des 16-Jährigen berichtete »nd« bereits im Dezember 2015. Damals fragte diese Zeitung explizit, ob in dem Ermittlungsverfahren auch Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes, verdeckte Ermittler der Polizei oder eine Vertrauensperson eines Nachrichtendienstes involviert gewesen sei. Die Antwort der Strafverfolger lautete damals: »Nein.«
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