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Kanadisches Gericht macht Weg für Auslieferung von Nazi-Kollaborateur frei

Regierung geht seit 1995 gerichtlich gegen Oberlander vor / Canadian Jewish Congress: Abschiebung von Nazikollaborateuren ist das Mindeste

  • Lesedauer: 2 Min.

Ottawa. Ein kanadisches Gericht hat den Weg für eine Auslieferung eines 94-jährigen Nazi-Kollaborateurs frei gemacht. Helmut Oberlander habe in Kanada, wo er 1960 die Staatsbürgerschaft erhalten hatte, falsche Angaben über seine Vergangenheit gemacht, urteilten die Richter am Donnerstag. Da er einer NS-Todesschwadron angehört habe, sei ihm zu Recht die kanadische Staatsbürgerschaft entzogen worden.

»Die Entscheidung bestätigt unsere Haltung, dass Kanada kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher und solche, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, sein sollte«, erklärte Ahmed Hussen, der kanadische Minister für Migration, Flüchtlinge und Staatsbürgerschaft.

Der 94-Jährige kann allerdings noch Berufung gegen die Entscheidung einlegen. Oberlander liefert sich seit 1995 einen Rechtsstreit mit dem kanadischen Staat. Dabei wurde ihm bereits vier Mal die Staatsbürgerschaft entzogen. Schon 1970 hatte ein Mitarbeiter des deutschen Konsulats Oberlander laut kanadischen Medien zu seiner Vergangenheit befragt. Sollte seine nächste Berufung erfolglos bleiben, kann er nach Angaben der kanadischen Grenzschutzagentur in sein Geburtsland Ukraine oder in ein Drittland abgeschoben werden.

Laut Recherchen der Canadian Jewish News hat die kanadische Regierung im nun schon 23 Jahre andauernden Rechtsstreit gegen den Mann bisher 2,1 Millionen kanadische Dollar ausgegeben.

Der in der Ukraine geborene Sohn deutscher Eltern hatte bei seiner Einreise nach Kanada 1954 verschwiegen, dass er im Zweiten Weltkrieg im Alter von 17 Jahren dem Einsatzkommando 10a angehörte, das in der besetzten Sowjetunion Massenmorde verübte. Oberlander selbst gibt an, dem Kommando wegen seiner Deutsch- und Russischkenntnisse zwangsweise zugeordnet worden zu sein. Er habe außerdem nur als Dolmetscher gearbeitet.

Laut Angaben des Canadian Jewish Congress war die Einheit, für die Oberlander übersetzte für den Tod von rund 90.000 Juden verantwortlich. »Jedes Mitglied dieser Einheit war Teil einer gut geölten Maschine«, erklärte der Vorsitzende des Canadian Jewish Congress, Bernie Faber, 2009 in einem Interview. »Die kanadische Regierung hat viel zu lange gebraucht, um endlich gegen Nazikollaborateure vorzugehen«, kritisierte Faber damals.

In einer Reaktion auf das aktuelle Urteil erklärte eine Vereinigung von Holocaustüberlebenden und ihrer Kinder das Fall Oberlander sei »eine offene Wunde«. Es sei »schmerzvoll, dass Oberlander und andere, die Verbrechen gegen unsere Familien begangen haben, solange die Gastfreundlichkeit Kanadas ausnutzen konnten«. AFP/nd

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