Gegen die Bildungskatastrophe und für gute Arbeit
Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert neuen Hochschulpakt mit Grundfinanzierung aller Hochschulen statt Eliteförderung
»Lust oder Frust? Qualität von Lehre und Studium auf dem Prüfstand« - so lautete das Motto einer Wissenschaftskonferenz der Bildungsgewerkschaft GEW, die am Wochenende in Budenheim bei Mainz zu Ende ging. Vier Tage lang tauschten dort 120 Wissenschaftler, Hochschulangestellte und Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet Erfahrungen aus und formulierten Forderungen zur Verbesserung der Lage an den Hochschulen.
Der aktuelle, bis 2020 befristete Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder seit 2007 für die Schaffung zusätzlicher Studienplätze gesorgt hatten, dürfe »nicht sang- und klanglos auslaufen«, unterstrich der GEW-Vizevorsitzende Andreas Keller. Er forderte von Bund und Ländern im Rahmen eines neuen Hochschulpakts einen »spürbaren Beitrag, um die Bildungskatastrophe an den Hochschulen zu verhindern«.
Zu den Schwächen des laufenden Pakts, die viel Frust bereiten, gehört aus GEW-Sicht eine Unterfinanzierung der Studienplätze, die anhaltend hohe Zahl von Studienabbrüchen und die Tatsache, dass Professoren immer mehr Studierende betreuen müssten. Die deutschen Pro-Kopf-Ausgaben für Studierende lägen unter dem OECD-Durchschnitt. Bund-Länder-Programme wie die »Exzellenzstrategie« und die Abhängigkeit der Hochschulen von der »Drittmittelfinanzierung«, oft aus staatlichen Töpfen, hätten die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse und stundenweise angeheuerten Lehrbeauftragten in die Höhe schnellen lassen, kritisiert das »Budenheimer Memorandum«, mit dem sich die GEW jetzt in die Debatte einmischt.
Ein neuer Hochschulpakt müsse statt Konkurrenz und gezielter Eliteförderung eine verlässliche Grundfinanzierung für alle Hochschulen garantieren, mehr Studienplätze finanzieren und mit einer »Entfristungsoffensive« prekäre Verhältnisse beim Lehrpersonal zurückdrängen. »Gute Arbeit in der Wissenschaft« ohne Befristungen und ohne unfreiwillige Teilzeitjobs sei eine Grundvoraussetzung für eine hohe Qualität von Lehre und Studium, so das Papier. Am 8. November wird die GEW bei einem Kongress in Berlin ihre Anforderungen an einen neuen Hochschulpakt vortragen.
Weil »ein leerer Magen nicht gerne studiert« und immer weniger Studierende überhaupt BAföG beziehen, war in Budenheim auch die Zukunft der Studienfinanzierung ein Thema. Die derzeitige Förderquote von nur noch 12,7 Prozent aller Studierenden sei »so tief wie noch nie« seit der Einführung des BAföG in den frühen 1970er Jahren, so Stefani Sonntag, Hochschulreferentin beim GEW-Hauptvorstand. Um diesen dramatischen Abwärtstrend umzukehren und die von der Bundesregierung versprochene BAföG-Reform mit Leben zu füllen, drängt die GEW auf eine sofortige Anhebung der Freibeträge um 10 Prozent, deren regelmäßige Anpassung, eine Anhebung der ausbezahlten Beträge um mindestens 100 Euro für alle und eine Dynamisierung der Fördersätze.
Weil die Mietkosten vielfach durch die derzeitigen BAföG-Sätze überhaupt nicht mehr abgedeckt würden, müsse eine BAföG-Reform den realen Wohnkosten Rechnung tragen, erklärte Sonntag gegenüber »nd«. Denkbar sei hier ein Staffelmodell, das die regionalen Unterschiede berücksichtigt. »Deutschland hat keine soziale Durchlässigkeit und schneidet auch im OECD-Vergleich extrem schlecht ab«, so die Gewerkschafterin. Um Kinder aus bildungsschwachen Familien wieder an die Hochschulen zu bekommen, müsse auch das Schüler-BAföG für die Sekundarstufe II sowie die gymnasiale Oberstufe wieder eingeführt werden.
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