• Politik
  • Seenotrettung im Mittelmeer

Aquarius sucht neue Flagge

Gespräche mit Schweiz, Venezuela und Luxemburg

  • Fabian Hillebrand, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Bremen sei ein besonderer Ort für die »Aquarius«, erzählt Jana Ciernioch, Pressesprecherin von SOS Méditerranée, am Montag in der Hansestadt. Das Schiff, mit dem die Seenotrettungsorganisation in den vergangenen zwei Jahren knapp 30 000 Menschen gerettet hatte, wurde hier in der Lürssen-Werft gefertigt. Anfang Februar 2016 startete das Schiff von Bremen aus auf seine erste Rettungsmission ins Mittelmeer. Nicht nur Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) war anwesend und wünschte Glück. Nachdem nun nach zwei Jahren Panama auf Druck von Italien der »Aquarius« die Flagge entzogen hatte, sind die Seenotretter für ihre Pressekonferenz zurückgekehrt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Rettungsmissionen der »Aquarius« behindert werden. Vor Panama hatte Gibraltar dem Schiff die Flagge entzogen. London habe damals Druck auf das britische Überseegebiet an der Südspitze Spaniens ausgeübt, berichtet Christoph Hempel, der Reeder des Schiffes. Ihm sei mündlich mitgeteilt worden, dass man auf den Flaggenentzug verzichten würde, wenn er die Zusammenarbeit mit SOS Méditerranée einstellt. Hempel schlug den Deal aus und beantragte dafür die Flagge von Panama. Dessen Behörden seien anfangs ausgesprochen kooperativ gewesen, berichtet der Reeder. Erst nach italienischem Druck wurden die Töne rauer.

Gemeinsam mit Aktivist*innen der Seebrücke Bremen wurde auf der Pressekonferenz die Möglichkeit einer neuen Flagge diskutiert. Das Schiff liegt momentan noch in Marseille. Panama hat den Betreiberorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen eine Gnadenfrist gewährt, bevor der Entzug der Flagge endgültig ist. Unter Zeitdruck suchen die Seenotretter nach einem neuen Flaggenstaat, um wieder auf Rettungsmission gehen zu können.

In der engeren Auswahl seien Schweiz, Venezuela und Luxemburg, verriet Hempel. Auch mit einigen anderen Staaten stehe die Organisation in Verhandlungen. Sollte bis nächste Woche keine Einigung zustande kommen, müsse man sich an Staaten mit grauen oder schwarzen Flaggen wenden. Die »Weiße Liste« führt nur Flaggenstaaten auf, auf deren Schiffen es nichts oder nur wenig zu beanstanden gibt, während die »Graue Liste« und die »Schwarze Liste« Flaggenstaaten beinhalten, auf deren Schiffen überdurchschnittlich häufig Schiffssicherheitsmängel festgestellt werden.

Um ein solches Szenario zu verhindern, sucht der Reeder auf Hochdruck nach einer anderen Lösung. Und wendet sich auch an die Bremische Bürgerschaft und den Senat. Dieser solle den italienischen Honorarkonsul einbestellen und die italienische Regierung für ihr unangemessenes Verhalten rügen. Das politische Klima habe sich geändert, berichtet Jana Ciernioch von SOS Méditerranée. Am vergangenen Wochenende wurde das Büro der Hilfsorganisation in Marseille von Rechtsradikalen überfallen. Zum Bild gehöre aber auch, so Ciernioch, dass zur selben Zeit über 80 000 Menschen in ganz Europa auf die Straßen gegangen sind, um für die zivile Seenotrettung zu demonstrieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -