Datengefährder

Personalie

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Tweet hat Konsequenzen für Ronald Gläser, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Sprecher der dortigen AfD-Fraktion. Er hatte einen Haftbefehl gepostet, den zuvor ein Justizbeamter aus Dresden fotografiert und veröffentlicht hatte. Es war der Haftbefehl gegen einen Mann, der Anfang September in Chemnitz einen anderen Mann getötet haben soll. Der Vorfall machte Chemnitz zum Spielfeld für Neonazis, die auf sogenannten Gedenkmärschen und Demonstrationen den Ton angaben.

Die Veröffentlichung eines Haftbefehls ist strafbar. Das sollte allgemein bekannt sein. Vor allem aber sollte dies einer wissen, der sich beruflich damit befasst, zu wählen und zu entscheiden, was veröffentlicht werden kann. So einer ist Ronald Gläser. Seit 1995 ist er Journalist und war zuletzt Redakteur bei der »Jungen Freiheit«. Auch bei einer rechten Wochenzeitung sollte man es mit publizistischem Ethos und den Persönlichkeitsrechten Dritter genau nehmen.

Dass Gläser zumindest in früheren Jahren auch Verschwörungstheorien nicht abgeneigt war, lässt sich einem »Spiegel«-Artikel aus dem Jahr 2003 entnehmen. Darin äußert sich Gläser - damals ist er noch Mitglied der FDP -, skeptisch darüber, dass sich sein Parteikollege Jürgen Möllemann mit seinem Fallschirmsprung selbst getötet habe. Ihn könne auch jemand »ausgeknipst« haben, sagt er. Und: »Das könnte ein Geheimdienst eines kleinen Landes im Nahen Osten gewesen sein.«

Noch viel besser als ein Journalist und Redakteur sollte sich jemand mit Persönlichkeitsrechten auskennen, der sich beruflich mit Datenschutz befasst. Auch das trifft auf Ronald Gläser zu. Er ist nicht nur datenschutzpolitischer Sprecher seiner Fraktion, er ist auch Vorsitzender des Ausschusses für Kommunikationstechnologie und Datenschutz im Berliner Abgeordnetenhaus. Den Posten ist er ab diesem Montag allerdings voraussichtlich los: Alle Abgeordnetenhausfraktionen außer der AfD unterstützen der Deutschen Presse-Agentur zufolge einen entsprechenden Abwahlantrag.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.