Gotteshäuser ohne Gott
Restaurant, Konzertzahl, Pension - in Sachsen-Anhalt wurden etliche Kirchen umgewidmet
Magdeburg. Oft sind sie nur noch an Feiertagen gut gefüllt: Manche Gemeinden der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wollen ihre nicht mehr benötigten und baufälligen Gotteshäuser loswerden. Diese würden wegen der kleiner werdenden Gemeinden nicht mehr genutzt, sagt Baureferentin Susann Bähre vom Landeskirchenamt in Magdeburg. »Bei Verkäufen streben wir eine Nutzung vor allem im kulturellen Bereich an.« Die Gemeinden identifizierten sich oft auch nach einem Verkauf mit dem Gebäude. »Das muss berücksichtigt werden.«
Ihren Angaben zufolge gibt es in Sachsen-Anhalt rund 1730 evangelische Kirchen. 18 von ihnen seien baufällig. Zur Zahl der nicht genutzten Kirchen konnte Bähre keine Angaben machen. Aktuell steht die Kirche in Kleinkorbetha, einem Ortsteil von Weißenfels (Burgenlandkreis), zum Verkauf.
In Sachsen wurden bisher nur wenige Gotteshäuser abgegeben oder umgenutzt. Laut einem Sprecher des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamtes wurde in Heidenau bei Dresden 2015 die Lutherkirche verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut. In Leipzig wurde die Philippuskirche 2012 der BBW-Leipzig-Unternehmensgruppe übertragen, die Menschen mit Behinderung ausbildet und beschäftigt. Das Pfarrhaus ist nun ein Hotel mit Catering, die Kirche soll 2019 als Tagungszentrum eröffnet werden.
In Thüringen steht eine der umgewidmeten Kirchen in Weißensee im Kreis Sömmerda. Sie wird als Kulturkirche genutzt – ähnlich wie ein Gotteshaus in Bad Langensalza im Unstrut-Hainich-Kreis, wo beispielsweise regelmäßig Konzerte stattfinden. Das Bistum Erfurt hat ein Gotteshaus in ein Kunstmagazin umgewandelt. Insgesamt elf Kirchen seien verkauft worden, hieß es. Eine davon sei nun eine Pension. Mühlhausens Jakobikirche (Bild links) beherbergt heute die Stadtbibliothek.
Für die Kirchgemeinden sei es eine erhebliche Anstrengung, die Kirchen zu erhalten und zu sanieren, sagt Bähre. Das sei oft nur mit Zuschüssen oder Spenden möglich. Für ungenutzte Kirchen fehlten da einfach die Mittel.
Als gelungenes Beispiel für einen Verkauf gilt Bähre die Liebfrauenkirchen in Wernigerode (Harz), die Anfang des Jahres für einen symbolischen Euro in den Besitz einer Kulturstiftung überging. Die Kirchgemeinde dort hatte drei Kirchen. Das war ihr angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen zu viel geworden. Jetzt soll das Gebäude für 6,4 Millionen Euro in eine Konzerthalle umgewandelt werden. »Die Kirche hat eine ausgezeichnete Akustik«, schwärmt der Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung Wernigerode, Rainer Schulze. Der neue Saal werde die Heimstätte des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode. Ende 2021 solle er fertig sein.
Ein anderer Weg, die Bauten zu erhalten, ist laut Bähre, die kirchliche Nutzung mit einer weiteren Nutzung zum kombinieren. In der Sankt-Gertraud-Kirche in Magdeburg werden unter anderem Epitaphien, also steinerne Grabtafeln mit Inschriften, aufbewahrt. Die Hochzeitskirche in Schackensleben (Börde) ist nebenbei noch Standesamt und in der Kulturkirche von Hermsdorf (Börde), die mit Hilfe der Kommune saniert werden konnte, werden im Sommer Filme gezeigt.
Die im Krieg zerstörte Sankt-Johannis-Kirche in Magdeburg wurde in den 1990er Jahren wieder aufgebaut und dient seit 1999 der Stadt als Festsaal und Konzerthalle. 2014 war sie sogar zeitweise Tagungsort des Landtages. Nicht so ganz nach dem Geschmack Bähres war die Umwandlung der einstigen Kirche Sankt Immanuel von Alt Prester in Magdeburg in ein Restaurant. »So etwas würden wir heute nicht mehr machen«, sagt sie. Doch schon seit 1983 war das Haus nicht mehr als Kirche genutzt worden. Es wurde entweiht, zum Bauhof umfunktioniert und 1997 schließlich verkauft.
»Das Ambiente ist etwas besonderes«, sagt Restaurantchefin Katrin Rieffenberg. Vor allem während der Sommermonate kämen viele Hochzeitsgesellschaften. »Die Wochenenden sind dafür zwei Jahre im voraus ausgebucht. Die Paare machen in der Regel ihren Termin erst bei uns und gehen dann zum Standesamt.«
Die Evangelische Landeskirche Anhalt will ihre jetzt 212 Kirchengebäude möglichst erhalten, auch wenn diese nicht mehr alle wöchentlich genutzt werden. In einigen gebe es nur alle vier bis sechs Wochen, in anderen nur einige Male während des Jahres Veranstaltungen, sagt der Sprecher des Landeskirchenamtes, Johannes Killyen, in Dessau. »Wir wollen die Kirchen erhalten, indem wir sie auch für Vereine oder Konzerte öffnen.«
Bei der Kirche in Warmsdorf bei Stassfurt (Salzlandkreis) war das jedoch nicht mehr möglich. Das Gebäude war zur Ruine verfallen und dem Abriss 1985 nur entgangen, weil das Geld dazu fehlte. Sie ist seit 1990 in Privatbesitz und jetzt eine Pension.
Die kriegszerstörte ehemalige Stadtkirche Sankt Marien in Dessau ist in den 1990er Jahren mit öffentlichem Geld als Raum für Konzerte, Veranstaltungen und Ausstellungen wieder hergestellt worden. Eigentümer ist jedoch weiter die Kirchgemeinde, die das Haus der Stadt verpachtet hat. Und so kann sie es gelegentlich selbst nutzen - bei besonderen Anlässen. dpa/nd
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