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  • Berlin
  • Betrug beim Fairtradelabel

Schulessen unfair

Cateringfirmen tricksen bei Anforderungen nach »fairen« Essen

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele der Lebensmittel, die Berliner Schulkinder in ihrer Mensa zu essen und zu trinken bekommen, wurden unfair gehandelt. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie »Blick über den Tellerrand - Sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung von Lebensmitteln« der Christlichen Initiative Romero (CIR), die »nd« vorliegt.

Nach Recherchen der Nichtregierungsorganisation umgehen Cateringfirmen die im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz geforderte Einhaltung grundlegender Sozialstandards mit bürokratischen Winkelzügen im großen Stil. Statt glaubwürdige Nachweise wie etwa das Fairtrade-Siegel oder eine Mitgliedschaft in der World Fair Trade Organization (WFTO) vorzulegen, präsentierten die Lebensmittellieferanten eine Eigenerklärung, dass das entsprechende Produkt nicht zertifiziert werden müsse. »Bei Produkten wie Kaffee oder Bananen und Reis für das Schulessen ist das natürlich absurd«, sagt Tabitha Triphaus, eine der Autorinnen der Studie. »Natürlich gibt es die in fair und bei Bedarf auch im Großgebinde.«

Das Auftrags- und Vergabegesetz¶

Das Berliner Auftrags - und Vergabegesetz regelt die Kriterien und Anforderungen, nach denen öffentliche Aufträge vergeben werden. Das betrifft den Bau- und Dienstleistungsbereich ebenso wie die Verwaltung und das öffentliche Schulwesen. Derzeit wird das Gesetz von der Senatswirtschaftsverwaltung novelliert.

Die Überarbeitung soll die Anwendung unbürokratischer machen. So soll etwa kleinen und mittleren Unternehmen der Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das sogenannte Landesmindestentgelt. Das ist der Lohn, den das Land mindestens für die Umsetzung eines öffentlichen Auftrags zahlt. Momentan liegt der landeseigene Mindestlohn bei 9 Euro in der Stunde. Die Senatsarbeitsverwaltung fordert die Anhebung des Landesmindestentgelts auf 12,63 Euro. jlo

Die Beschaffungs- und Kontrollstellen des Landes Berlin müssten diese Praktik unterbinden, fordert Triphaus. Einerseits, weil es sich um illegalen Etikettenschwindel handele. Anderseits, weil das Vorgehen einen Wettbewerbsnachteil für die Anbieter darstellen würde, die sich ehrlich um bessere Arbeitsbedingungen im globalen Süden bemühten.

Das Problem dabei: »Viele Verwaltungsangestellte wissen nicht über die geltenden Sozialstandards und die glaubwürdigen Siegel Bescheid«, so die CIR-Mitarbeiterin. Ein verbreiteter Irrglaube sei es beispielsweise, dass ein Produkt mit Bio-Siegel automatisch auch fair gehandelt wurde. »Nicht überall wo bio drauf steht, sind aber auch faire Arbeitsbedingungen drin«, sagt Triphaus.

Rund 88 000 Schulkinder werden in Berlin täglich mittags an öffentlichen Schulen mit Lebensmitteln versorgt. Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung schätzt, dass durch die Ausschreibungen im Jahr 2014 Verträge mit einem jährlichen Auftragsvolumen von insgesamt 47 Millionen Euro abgeschlossen wurden. Ein Großteil davon wird durch die Mitglieder des Verbands der Berliner und Brandenburger Schulcaterer abgedeckt. Neun Unternehmen sind dort organisiert. Generell sind die bezirklichen Schulämter für die Ausschreibung der Mittagessen an den Grundschulen und Förderzentren in öffentlicher Hand zuständig. An den Oberschulen sind es die Eltern, die einen privatrechtlichen Vertrag mit einem Caterer abschließen.

Angesichts der aufgedeckten Schummelei mit den Fairtrade-Siegeln sehen die Macher der Studie den rot-rot-grünen Senat in der Pflicht: »Eine Stärkung sozialer Kriterien ist mit der aktuellen Reform des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes dringend notwendig«, sagt CIR-Autorin Triphaus. Ihre Organisation stünde auch jederzeit dazu bereit, die Vergabestellen über die entsprechenden Fairtrade-Siegel und Ausschreibungsunterlagen zu beraten.

Das Ausschreibungs- und Vergabegesetz wird derzeit von der Senatswirtschaftsverwaltung überarbeitet. Dabei soll auch der Grundsatz »Gutes Geld für Gute Arbeit« prominent berücksichtigt werden. Das bedeutet: Wiedereinführung von tarifgebundenen Löhnen sowie die Möglichkeit der eigenständigen Mindestlohnvergabe über den gesetzlichen Mindestlohn hinaus.

In ihrer Pressemitteilung zur Verleihung des Fair-Trade-Town-Titels, den Berlin am 8. November von der Initiative TransFair verliehen bekommt, erklärt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne): »Wir wollen, dass auch das Berliner Vergaberecht stärker auf fairen Handel setzt.« Das FAIRgabe-Bündnis, in dem auch die CIR engagiert ist, appelliert an die Wirtschaftssenatorin, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Die CIR setzt sich seit 1981 für Arbeits- und Menschenrechte mit Schwerpunkt Mittelamerika ein.

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