Der nächste Schritt
Jung, dynamisch, erfolgreich: Englands Fußballer gewinnen 3:2 in Spanien. Für die Gastgeber ist es die erste Heimniederlage seit 15 Jahren
Beim 3:2 in Sevilla hat das englische Fußballnationalteam die Spanier in der Nations League düpiert. Britische Medien schwärmen, Spanien dagegen reagiert geschockt.
Von Philip Dethlefs
und Emilio Rappold, Sevilla
Die Rückreise dauerte für einige englische Fußballer etwas länger als geplant. Wegen schlechter Wetterbedingungen wurde der Flieger mit den »Three Lions« nach Manchester umgeleitet. Doch nach dem 3:2 (3:0) in Sevilla gegen Spanien konnte das die Laune nun wirklich nicht trüben.
»Heute Abend haben die Spieler den nächsten Schritt gemacht«, lobte Englands Nationaltrainer Gareth Southgate nach dem Achtungserfolg am späten Montagabend. Zugleich versicherte er: »Wir werden deswegen jetzt nicht abheben, aber das wird ihnen großes Selbstvertrauen geben«. In der ersten Halbzeit hatte seine junge Mannschaft, deren Durchschnittsalter bei nur 23 Jahren liegt, die Spanier förmlich überrannt. Angesichts des 3:0-Pausenstandes rieben sich viele englische Fans verwundert die Augen.
Die britischen Medien gerieten ins Schwärmen. »Glorreicher Abend für Southgate und das junge England in Spanien«, schrieb die Zeitung »Telegraph« am Dienstag. »Die bekannte Kritik, dass sie an hochkarätigen Gegnern scheitern, trifft nicht mehr zu«, schrieb der »Guardian«. Für die Boulevardzeitung »The Sun« zählt der englische Sieg gegen die Spanier zu »den größten Abenden und zeigt, dass die Weltmeisterschaft nicht nur ein Traum war«.
Ausgerechnet Raheem Sterling, der seit drei Jahren und 27 Spielen nicht für England getroffen hatte, leitete den Sieg ein und traf in Sevilla sogar doppelt (16./38. Minute). »Ich hab mir viel Druck gemacht«, gestand der Angreifer von Manchester City später, »es ist meine Aufgabe Tore zu schießen. Das bedeutet mir sehr viel.« Das zwischenzeitliche 2:0 hatte Marcus Rashford (29.) von Manchester United erzielt.
Bei den unterlegenen Gastgebern wurde Trainer Luis Enrique drastisch. »Normalerweise hätte ich sie alle umbringen müssen«, sagte der Coach nach dem Abpfiff mit Galgenhumor über seine Mannschaft, die erst nach der Pause ins Spiel fand und deren Tore durch Paco Alcácer (58.) und Sergio Ramos (90.+7) zu spät kamen. Immerhin Alcácer wurde in den Reihen der »La Roja« gefeiert. Der Stürmer von Borussia Dortmund wurde in der 57. Minute eingewechselt und traf schon eine Minute später zum 1:3. Das einstige Talent aus Valencia, das zwischen 2016 und 2018 beim FC Barcelona völlig in der Versenkung verschwunden war, ist seit Wochen im Torrausch. In nur 277 Spielminuten erzielte der 25-Jährige diese Saison bereits zehn Treffer, drei davon für das Nationalteam.
Die Entdeckung von Alcácer war für Fans und Medien aber nur ein schwacher Trost für die desolate Leistung in Hälfte eins. In Spanien war ein müheloser Sieg erwartet worden. Einige hatten vor dem Spiel - auch wegen des 6:0-Sieges gegen Vizeweltmeister Kroatien zum Auftakt der Nations League - bereits von der Rückkehr an die absolute Weltspitze geträumt. Umso härter war der Sturz nach der ersten Heimniederlage seit 2003. »Überheblichkeit kann auch tödlich sein«, titelte die Madrider Sportzeitung »AS«. Bei »Sport«, dem Konkurrenzblatt aus Barcelona, war zu lesen: »Der Zauber ist dahin.« dpa/nd
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