- Politik
- Mesale Tolu
Verfahren gegen Tolu geht weiter
Mesale Tolu reiste zur Gerichtsverhandlung nach Istanbul / Ausreisesperre gegen Ehemann aufgehoben
Vor knapp zwei Monaten konnte die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu endlich die Türkei verlassen und nach Deutschland ausreisen. Nun ist sie erneut in die Türkei gereist, um persönlich an dem weiter laufenden Verfahren gegen sie teilzunehmen. Neben Tolu sind im selben Verfahren 26 weitere Menschen angeklagt, darunter auch Tolus Ehemann Suat Corlu. Das Ehepaar saß mehrere Monate in türkischer Untersuchungshaft und wurde danach mit einem Ausreiseverbot und weiteren gerichtlichen Auflagen belegt. Mesale Tolu durfte schließlich Ende August aus der Türkei ausreisen - ihr Mann nicht.
Bereits bei ihrer Rückkehr nach Deutschland kündigte Mesale Tolu an, für die kommenden Prozesstage zurück nach Istanbul reisen zu wollen. Dass es dabei immer das Risiko gibt, dass sie erneut von den türkischen Behörden festgenommen wird oder nicht wieder ausreisen kann, ist Tolu dabei bewusst. Trotzdem entschied sie sich in Absprache mit ihren Anwälten dazu, persönlich zu ihrer Verhandlung erscheinen. Kurz vor ihrer Abreise nach Istanbul sagte sie im rbb-Inforadio: »Ich werde für Freispruch kämpfen. Ich weiß aber, dass sehr viel politisch entschieden wird.« Tolu rechnet am Ende ihres Prozesses auch mit der Möglichkeit einer langjährigen Haftstrafe.
Vor der Verhandlung am Dienstag forderte Tolu erneut die Ausreisesperre gegen ihren Mann aufzuheben. Sie sei auch in die Türkei gereist um zu zeigen, dass weder bei ihr noch ihrem Mann Fluchtgefahr bestehe. Denn das ist der offizielle Grund, warum Tolus Mann Suat Corlu die Türkei nicht verlassen darf. Zudem brauche ihr gemeinsamer Sohn seinen Vater in Deutschland.
Beim Prozess anwesend waren auch der deutsche Generalkonsul in Istanbul Michael Reiffenstuel, sowie die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp, die den Prozess offiziell für den Deutschen Bundestag beobachtet. Man versuche Tolu moralisch zu unterstützen und hoffe, dass die Anwesenheit einer Beobachterin des Bundestages eine positive Wirkung auf den Prozess habe, so Stumpp vor dem Prozess.
Während ihrer Verteidigungsrede vor Gericht stellte Tolu nochmals klar, worum es ihr geht: »Wir sind als Familie geschädigt worden. Wir sind im Jahr 2017 verhaftet worden und mein Kind musste mit mir im Gefängnis leben. Jetzt ist zwar mein Reiseverbot aufgehoben, aber meinem Mann ist es immer noch verboten, dass Land zu verlassen.«
Zum Prozess forderte auch Reporter ohne Grenzen (ROG) einen Freispruch der Journalistin: »Auch nachdem Mesale Tolu freigelassen wurde und ausreisen durfte, bleibt sie in den Augen der türkischen Justiz eine Kriminelle. Ihr angebliches Verbrechen ist kritischer Journalismus, den Präsident Erdogan mit beispielloser Härte unterdrückt«, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. »Es wird höchste Zeit, Mesale Tolu von den absurden Terrorvorwürfen freizusprechen und die Ausreisesperre gegen ihren Mann aufzuheben.«
Und tatsächlich hob das Gericht heute die Ausreisesperre für Suat Corlu auf. Das weitere Verfahren wurde auf einen späteren Gerichtstermin verschoben. Wann das Verfahren zu Ende geht, ist bisher nicht abzusehen. Bei einer Verurteilung drohen Tolu bis zu 20 Jahre Haft in der Türkei. Laut eigenen Aussagen will sie noch diese Woche die Türkei wieder verlassen.
Noch immer sitzen auch fünf weitere Deutsche aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen. Unter ihnen ist auch der Kölner Sozialarbeiter und Journalist Adil Demirci, der genauso wie Tolu für die türkische Nachrichtenagentur ETHA gearbeitet hat. Sein Verfahren soll am 20. November beginnen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.