- Politik
- Europäische Arbeitslosenversicherung
Wenn die EU das Backup-Arbeitslosengeld anbietet
Bundesfinanzminister Olaf Scholz legt einen Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenversicherung vor - sie könnte im Krisenfall Länder unterstützen
Berlin. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen konkreten Plan für eine EU-Arbeitslosenversicherung vorgelegt. Der Vizekanzler sieht eine bessere Absicherung bei Verlust des Arbeitsplatzes in Krisenzeiten als essenziell an, um den weiteren Aufstieg von Rechtspopulisten zu stoppen. Der Fonds soll sich aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten speisen, die sich an der Höhe der Wirtschaftskraft orientieren. Deutschland würde demnach am meisten einzahlen. Die Höhe wird in einem vertraulichen Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, noch offengelassen. Als erstes hatte das »Handelsblatt« über den Vorschlag berichtet.
Der Vorstoß ist Teil einer deutsch-französischen Initiative für eine »Roadmap« zur Stabilisierung besonders der Euro-Zone. Der Europäische »Arbeitslosen-Stabilisierungs-Fonds« (EUSF) soll in Zeiten tiefer Einbrüche die nationalen Versicherungssysteme für Arbeitslose unterstützen: Diese könnten sich bei dem EUSF Geld leihen, um keine Leistungen zulasten der Bürger kürzen zu müssen. Voraussetzung für eine Teilnahme soll demnach auch sein, dass die betreffenden Staaten selbst über eine funktionierende Arbeitslosenversicherung verfügen.
Ob ein Krisenfall mit einem Anzapfen des EUSF vorliegt, sollen die Mitgliedsstaaten nach einer Empfehlung der EU-Kommission entscheiden. Ein Kriterium könnte sein, dass die Arbeitslosenquote binnen kurzer Zeit um zwei Prozentpunkte gestiegen ist und damit die entsprechenden Ausgaben steigen - Geld, das an anderer Stelle zur Bekämpfung der Krise, etwa Konjunkturpakete, fehlen könnte. Es gehe auch darum, »die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten zu stärken«, wird in dem Papier betont. Zudem wird angestrebt, die Arbeitslosenversicherungssysteme stärker zu harmonisieren.
Unterstützung für den Vorstoß kommt von den Grünen. »Die europäische Arbeitslosenrückversicherung ist eine sinnvolle Idee, denn sie könnte die Eurozone nicht nur stabilisieren, sondern auch sozialer machen«, erklärte Vizefraktionschefin Anja Hajduk. Auch Scholz' Parteikollege Achim Post signalisierte Zustimmung zum EU-Fonds: »Dabei geht es ausdrücklich nicht um dauerhafte Transfers, sondern um vorübergehende Kredite in schweren Schockphasen, die wieder zurückgezahlt werden müssten.«
Auch der Grünen-Finanzexperte und Europaabgeordnete Sven Kindler erklärte: »Der Verstoß von Olaf Scholz für ine europäische Arbeitslosenversicherung geht in die richtige Richtung. Das würde Europa stabiler und sozialer machen«. Die Union solle den Vorschlag nicht aus »Ideologie und nationaler Borniertheit« blockieren.
»Herr Scholz findet dafür keine Mehrheit im Deutschen Bundestag«, betonte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg. Regierungssprecher Steffen Seibert räumte ein, bei der Diskussion zwischen den Ministerien seien »grundsätzliche Fragen« zu dem Scholz-Papier aufgetaucht. »Eine abgestimmte Position der Bundesregierung dazu gibt es nicht.« Die EU habe bereits eine »Vielzahl von Geldtöpfen, um Mitgliedstaaten in Notsituationen unterstützen«, erklärte Rehberg.
Auch Oliver Zander vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnte vor unkalkulierbaren Zusatzlasten für Deutschland. Zudem löse das Vorhaben nicht die bestehenden Strukturprobleme im Süden Europas. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.