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- Demokraten in den USA
Rage against the machine
In den USA rücken die Demokraten nach links - die neuen Newcomer-Progressiven auf der Parteilinken attackieren trotzdem die »Parteimaschine«
Vom ersten Tag an gab es Protest. US-Präsident Donald Trump hat die Basis der Demokraten mobilisiert, wie es keine noch so charismatische Barack-Obama-Rede je vermochte. Dieser Protest wird sich am 6. November auch an der Wahlurne niederschlagen. Dann werden bei den Midterm-Wahlen 35 Senatsposten und alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus neu vergeben. Mit um Mandate kämpfen werden auch die »Progressiven« vom linken Flügel der Demokraten und eine neue Generation linker Aktivisten, die Parteipolitik in den USA für sich entdeckt hat. Sie rücken die Partei weiter nach links und helfen beim Wiederaufbau der Demokraten.
Die Partei hat Hilfe nötig. Rund 1000 Mandate verloren die Demokraten in den Obama-Jahren im ganzen Land an die Republikaner, Gouverneursposten, Parlamentssitze und andere Ämter. Die Partei, die gegen Ende der New-Deal-Zeiten in den 1950er Jahren noch ganz Amerika mit ihrer »Maschine« regiert hatte, war zunehmend zu einer Partei von Amerikas liberalen Großstädten und Küstenregionen geworden.
Dann kam Bernie Sanders. Der Parteilinke begeisterte vor allem junge Amerikaner für das Label »Sozialismus«. Auch die Democratic Socialists of America, die sich vorher kaum an Wahlen beteiligt hatten, unterstützten Sanders, zusammen mit anderen Linken im Land. Das Establishment der Partei setzte sich in der Auseinandersetzung um die Nominierung zur Präsidentschaftswahl gerade eben noch durch. Nach seiner Vorwahlniederlage erklärte Sanders aber, er wolle nun helfen, die Partei aufzubauen und progressive Kandidaten im ganzen Land unterstützen. Seit dem Herbst 2016 tut er genau dies.
In mehrfacher Sicht brechen die Midterms bereits jetzt Rekorde. Schon letzten Sommer hatten 209 Kandidaten der Demokraten, aber nur 28 der Republikaner mehr als 5000 US-Dollar gesammelt - bei den Kongresswahlen in den Jahren zuvor waren es jeweils nur um die 50 Kandidaten gewesen, bei beiden Parteien. Während in den vergangenen Jahren die Republikaner mit deutlich mehr Kandidaten in den Vorwahlen antraten, waren es dieses Jahr 1706 bei den Demokraten - so viele wie noch nie seit 1980, darunter ebenfalls so viele Frauen wie noch nie. Ein Ausdruck von wachsendem Engagement.
Zahlen des liberalen Think Tanks Brookings vom Juli dieses Jahres zeigen, dass der Anteil der Progressiven unter Kandidaten bei den Vorwahlen dieses Jahr bei 41 Prozent lag. 2014 und 2016 lag er noch bei nur 16 beziehungsweise 26 Prozent. Progressive in der Partei sind also eine immer stärkere Minderheit. Sie konnten sich nicht immer durchsetzen, konnten aber einige spektakuläre Erfolge erringen. In der New Yorker Bronx klopfte beispielsweise die 29-jährige Alexandria Ocasio-Cortez mit ihren Unterstützern an viele Türen statt Geld für Fernsehspots auszugeben und schlug den ebenfalls recht linksliberalen Joe Crowley, der die Partei seit 19 Jahren im US-Abgeordnetenhaus in Washington vertritt und zehnmal soviel Geld gesammelt hatte. Die Überraschungssiegerin ist Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA).
Die waren früher eine Splittergruppe mit nur 5000 Mitgliedern. Doch seit Bernie Sanders’ Kampagne 2016 wuchs DSA auf 40 000 Mitglieder. Seit dem Sieg von Ocasio-Cortez sind 10 000 weitere Menschen der Organisation beigetreten. Deren Strategie ist: ein Bein in der Bewegung, ein Bein in linker Parteipolitik und Wahlen. Neben dem Aktivismus auf der Straße haben DSA-Kandidaten in den vergangenen Monaten im ganzen Land Vorwahlen auf verschiedenen Regierungsebenen gewonnen, 63 sind es laut einer Liste der Partei.
Der anhaltende linke Pessimismus gegenüber den Demokraten sei unbegründet, die Partei sei in den letzten Jahren und Jahrzehnten trotz Rückschlägen für progressive Aktivisten kontinuierlich nach links gerückt, schreibt Sam Rosenfeld, Politikwissenschaftler der Colgate University in einem Beitrag für das Medienportal Vox. Die aktuelle Welle progressiven Aktivismus' in der Partei sei nur die neueste in einer ganzen Reihe.
Er ätzt gegen selbstverliebte Linke, die sich in der Outsiderrolle gefallen und sich zynisch abwenden, »wenn es mal hart auf hart kommt und Parteilinke Machtkämpfe verlieren«. Im vergangenen Winter gab es zum ersten Mal seit 1985 eine Kampfabstimmung um das Democratic National Committee. Das Establishment setzte sich in der Abstimmung über das Führungsgremium der Demokraten nur knapp durch. Auch bei den Vorwahlen diesen Sommer gab es teilweise harte Auseinandersetzungen, es wurde auch schmutzig gekämpft. In Texas veröffentlichte das Democratic Congressional Campaign Committee belastendes Material aus der Trickkiste des »Opposition Research« gegen die progressive Kandidatin Laura Moser, weil das offizielle Wahlkampfgremium der Partei aus Washington sie nicht für die geeignete Kandidatin hielt. In Kalifornien sorgten Progressive in der Partei dafür, dass die langjährige Senatorin Dianne Feinstein ganz offiziell nicht unterstützt wurde.
Und trotzdem: Bei den Vorwahlen haben sich auch viele Kandidaten durchgesetzt, die sich selbst als Parteilinke beschreiben, die dem Congressional Progressive Caucus (CPC) angehören - der Vereinigung der Parteilinken im Repräsentantenhaus - oder die von einer der fortschrittlichen Organisationen wie Our Revolution oder Justice Democrats unterstützt werden. Insgesamt wurden sie in 128 Bezirken aufgestellt. 70 von ihnen haben als Mitglieder des CPC und Amtsinhaber gute Wiederwahlchancen. Weitere 14 treten in solide demokratischen Bezirken an. Wie etwa die schwarze Progressive Ayana Pressley aus Massachusetts im siebten Wahlbezirk, die neben Ocasio-Cortez dieses Jahr die einzige Demokratin war, die einen demokratischen Amtsinhaber aus dem Rennen drängte. Dann gibt es noch 22 Progressive, die in umkämpften Bezirken antreten. Dort wurden in der Vergangenheit mal die Demokraten und mal Republikaner gewählt. Die Parteilinke Kara Eastman etwa, die im konservativen Nebraska gewinnen will, oder der Metallarbeiter Paul Rayan, der in Wisconsin den Sitz von Republikaner-Sprecher Paul Ryan erobern möchte.
23 weitere progressive Kandidaten setzen die neue Parole der Demokraten »überall antreten« um und beteiligen sich so am Parteiaufbau. Sie treten in Republikaner-Hochburgen an, in die das Establishment der Partei in der Vergangenheit wegen mangelnder Chancen kein Geld investiert hatte. Einige der progressiven Kandidaten, die in umkämpften oder »tiefroten« Bezirken antreten, konnten nun die Vernachlässigung dieser Bezirke durch die Gremien der Bundespartei mit den Kleinspenden der Parteibasis, deren Wut über die Politik Trumps so ein Ventil fand, ausgleichen.
Mit diesem Graswurzel-Geld können Progressive zumindest in einigen Bezirken mit dem Großspender-Geld der Industrie an ihre republikanischen Gegner konkurrieren. In Kansas, der Heimat der Großindustriellen Koch Brothers etwa, tritt James Thompson an, ein bulliger Anwalt, der sich als Armee-Veteran und stolzer Familienvater präsentiert, aber auch die Demokratische Sozialistin Ocasio-Cortez und Bernie Sanders zur Wahlkampfunterstützung einlud, denn er werde von den Republikanern ja »eh als Sozialist gebrandmarkt werden«.
»Bernie hätte gewonnen« ist seit Hillary Clintons Niederlage das Mantra des linken Flügels der Demokraten. Nur gegen Trump zu sein und moderate Politik zu versprechen, sei nicht genug, Amerika sei nach der Finanzkrise und angesichts steigender Ungleichheit bereit für progressive Politik. Umfragedaten, die die linken Forscher von Data for Progress zusammengetragen haben, bestätigen das. Eine Mehrheit der US-Amerikaner ist für die Legalisierung von Marihuana, einen Mindestlohn von 15 US-Dollar pro Stunde, eine Finanzmarkttransaktionssteuer und für Medicare for all. Die Einrichtung einer staatlichen Gesundheitsversorgung unterstützen mittlerweile 84 Prozent der Demokraten, 70 Prozent aller Amerikaner und gar 51 Prozent der Republikaner.
Das Thema ist zu einem wichtigen Teil des Wahlkampfes der Demokraten geworden und es zeigt, wie die Partei insgesamt nach links rückt. 219 der 431 demokratischen Kandidaten, die für die Wahl zum Repräsentantenhaus antreten, sind mittlerweile für Medicare for all. Die Idee geht also über den Kreis der »Progressiven« hinaus. Das Parteiprogramm fordert heute auch offiziell eine sogenannte »public option«, eine staatliche Gesundheitsversorgung als Alternative für Krankenversicherungen der Privatwirtschaft. Die Mitglieder des Progressive Congressional Caucus hatten sich 2009 in den Verhandlungen um Obamacare mit dieser Forderung noch nicht durchsetzen können.
Derweil drängen die neuen »konfrontativen« Progressiven weiter nach links. Rashida Tlaib etwa, wie Ocasio-Cortez ebenfalls DSA-Mitglied und bald eine der ersten beiden muslimischen Frauen im Repräsentantenhaus. Sie ließ sich jüngst bei Gewerkschaftsprotesten verhaften. Die linken Aufsteiger kritisieren, die Parteilinke habe in der Vergangenheit nicht als Block abgestimmt und sei nicht aktiv genug. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, auch den linken Parteiflügel vom Großspendengeld der Wall Street zu befreien. Eine Analyse des der Parteilinken nahestehenden Onlineportals The Intercept zeigt: Nur vier CPC-Mitglieder haben erklärt, kein Großspender-Geld annehmen zu wollen. Unter den progressiven Newcomern mit guten Wahlchancen seien es dagegen 40 gewesen.
Die Recherche für diesen Text wurde mit Mitteln der Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziert. Die Studie »The Democrats before the Midterms - A Movement to the Left? « kann hier heruntergeladen werden.
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