- Berlin
- Kein Campus in Kreuzberg
Google duckt sich weg
Unternehmen verkündet aus für Kreuzberger Campus, Sozialinitiativen sollen übernehmen
Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Nach diesem Motto scheint der US-amerikanische Internetkonzern Google zu verfahren. Statt des im Kreuzberger Umspannwerk geplanten GoogleCampus sollen nun das vor allem durch die Internet-Spendenplattform bekannte Sozialunternehmen BetterPlace sowie die Sozialgenossenschaft Karuna, die sich vor allem für obdachlose Kinder und Jugendliche engagiert, die Räumlichkeiten ab Frühjahr kommenden Jahres bespielen.
»Wir haben eingesehen, dass dies der beste Weg für Kreuzberg wäre«, gibt sich Rowan Barnett, Deutschlandchef von Google for Startups. geradezu enthusiastisch ob des Kurswechsels. Rund 14 Millionen Euro wird der Internetgigant bis 2023 für Umbau, Einrichtung und Miete der 3000 Quadratmeter messenden Fläche ausgegeben haben, gibt er an. Bis zum Auslaufen des Mietvertrags übernimmt Google die Kosten, direkt wird kein Geld an die Sozialunternehmen fließen, so Barnett. »Ich bin wirklich begeistert«, sagt er dann noch mal bei der Pressekonferenz am Mittwoch.
Ganz ergeben ist auch Karuna-Geschäftsführer Jörg Richert. »Ich fände es viel charmanter, wenn wir hier mit Google einziehen würden«, erklärt er. Bei Karuna mögen man schließlich die Zusammenarbeit mit obdachlosen Menschen und Unternehmens-Giganten. Unter anderem die Redaktion der neuen Obdachlosenzeitung »Karuna Kompass« soll dort einziehen.
Carolin Silbernagl, Vorstand der gemeinnützigen Aktiengesellschaft gut.org, der Muttergesellschaft von BetterPlace, kündigt an, mit Forschungsabteilung und Bildungsangeboten einzuziehen. Es sollen jedoch noch viel mehr Akteure in das Haus kommen. »Wir wollen die Räume mit Leben und sozialer Wirkung füllen«, sagt Silbernagl. Eine »Riesenchance« nennt sie das: »Wir brauchen Strukturen, die gesellschaftliches Engagement unterstützen.«
Mit der Entscheidung ein unabhängiges Haus für soziales Engagement zu ermöglichen sei Google auf die Forderungen von Politik und Nachbarschaft eingegangen, erklärt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). »Ich begrüße diesen Schritt und hoffe, dass andere große und mittlere Unternehmen diesem Beispiel folgen«, so der Politiker weiter. Der Bezirk werde das Projekt begleiten und sich weiterhin für die sozialräumliche Verträglichkeit von Immobilienentwicklungen einsetzen
»Natürlich haben wir auch die Proteste wahrgenommen«, sagt Barnett. »Aber wir lassen uns die Aktivitäten nie von einer bestimmten Art von Protest diktieren.« Gefreut habe man sich jedoch über »die viele konstruktive Kritik«.
»Das sind interessante Pläne von Google, im Umspannwerk in Kreuzberg einen Ort für soziale Unternehmen zu schaffen«, erklärt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) auf nd-Anfrage. Dies zeige die zunehmende Bedeutung von sozial und ökologisch orientierten Unternehmen und der nicht-gewinnorientierten Ökonomie in Berlin. Sozialunternehmen steuerten knapp sechs Prozent zur Berliner Bruttowertschöpfung bei. »An der Schnittstelle zwischen sozial-ökologischem Wirtschaften und innovativen Tech-Lösungen steckt viel Potential für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen«, ist die Senatorin überzeugt.
Bei Konstantin Sergiou, der sich bei der Kampagne »Google ist kein guter Nachbar« engagiert, mag keine Partystimmung nach der Absage aufkommen, weil die Verdrängung weitergehe. »Wir bleiben auf der Hut«, sagt Sergiou. Gut sei, dass Google offenbar verstanden habe, dass eine Ballung von Technologie in einem Wohngebiet und eine Ballung von Start-Ups zu Verdrängung führe. »Die Entscheidung zeigt, dass der vielfältige Protest gegen die Ansiedlung etwas gebracht hat«, so Sergiou. So müsse eine vielfältig vernetzte Nachbarschaft weiter arbeiten. Er stellt sich aber weiter Fragen: Behält Google die Kontrolle über die digitale Infrastruktur? Verfolgt Google mit den Daten weiter sein totalitäres »Google-Imperium«-Geschäftsmodell? Was passiert mit dem Umspannwerk in fünf Jahren?
Einen neuen Standort für einen Campus sucht Google nach eigenen Angaben derzeit nicht in der Hauptstadt. Für die Opposition ist das ein Desaster. Einen »schmerzhaften Tiefschlag« nennt das CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nennt die Nutzungsänderung eine »schöngeredete Resignation«.
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