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Vorwärts in die Vergangenheit
Angela Merkel wollte nach den Gesetzen der Physik regieren - die CDU führte sie damit in eine Krise
Bei der AfD dürften die Korken geknallt haben. Angela Merkels Abgang war schließlich schon lange ein Hauptziel ihrer Politik. Der Rückzug der CDU-Vorsitzenden aus ihrem Parteiamt sei »eine gute Nachricht«, sagte AfD-Chef Jörg Meuthen. Man denke, »dass sie auch ihre Kanzlerschaft in Kürze abgibt«. Horst Seehofer heuchelte zwar etwas Mitgefühl. Es sei schade, »dass nun diese Zäsur stattfinden soll«. Immerhin hätte es mit ihr »immer eine vertrauensvolle Zusammenarbeit« gegeben. Aber auch der CSU-Vorsitzende dürfte sich nun am Ziel seiner Wünsche sehen.
Für die bayerische Staatspartei war Angela Merkel wohl von Anfang an ein Fremdkörper in der Union. Ministerpräsident Markus Söder hatte schon 2016 erklärt: »Die CDU drängt so sehr nach Mitte-links, dass den Wählern eine Abgrenzung zu SPD und Grünen allmählich schwerfällt.« Damit werde »das Selbstverständnis von CDU und CSU einfach neu bestimmt«. Das sahen auch viele Christdemokraten so. Von ihrer Wahl zur CDU-Vorsitzenden im Jahre 2000 an gab es stets Kritik von konservativer Seite an Merkels Amtsführung. Als sie aber 2005 die Kanzlerschaft holte und seitdem dreimal verteidigte, konnte sie diese ignorieren. Auch der rechte Flügel der Partei profitierte von Merkels Wahlerfolgen und hielt still - wenn auch mit der Faust in der Tasche.
Dass seit dem Herbst 2015 eine neue Lage entstand, erklärt sich aus dem Zusammenfallen objektiver Faktoren mit einem subjektiven. Objektiv waren der Streit um die Griechenland-Schulden und die wachsende Flüchtlingsbewegung, subjektiv die stets durch eitles Wortgeklingel kaschierte Konzeptionslosigkeit der Bundeskanzlerin. Für die Physikerin reduzierte sich Politik auf gesetzmäßige Abläufe, die nach diversen Anstößen gewissermaßen ohne besonderes eigenes Zutun zum Ziel führen. Zuletzt genügte es jedoch nicht mehr abzuwarten, wie sich die Gewichte ordnen. Jetzt war ein überzeugendes Konzept gefragt und entschlossenes Handeln zu seiner Durchsetzung.
Angela Merkel hatte ihre nachvollziehbare Entscheidung, die deutschen Grenzen für die Flüchtlinge nicht zu schließen, nicht nur in keiner Weise vorbereitet. Sie tat auch danach kaum etwas, diese Herausforderung zu meistern. Statt nach vorn zu denken und entsprechende Entscheidungen zu treffen, die bei der damaligen Stimmungslage auf Zustimmung in der Bevölkerung getroffen wären, schaltete sie den Rückwärtsgang ein. Sie ließ sich von den konservativen Bedenkenträgern in CDU und CSU zu Maßnahmen drängen, die in immer größerem Widerspruch zu ihren Worten standen. Damit verlor sie nach den Konservativen auch viele ihrer anfänglichen Unterstützer.
Seitdem vollzog sich ein allmählicher Abstieg der Kanzlerin und ihrer Partei. Schon im Frühjahr 2016 bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg verlor die CDU ihre dortige Bastion ausgerechnet an die Grünen. In Sachsen-Anhalt konnte sie nur noch mit Mühe eine Koalition unter eigener Führung zusammenbauen. Die AfD wiederum konnte in einen Landtag nach dem anderen einziehen. Die Folgen waren wachsende Unruhe in der CDU und eine schleichende Erosion der Macht Merkels, die mit einem Erstarken des rechtskonservativen Flügels der Partei einherging. Schon damals frohlockte die CSU: »Es gibt keine linke Mehrheit mehr.« Merkel erhielt bei ihrer letzten Wahl zur Parteivorsitzenden im Dezember 2016 in Essen ihr schlechtestes Ergebnis.
Zwar konnte die CDU bei den Bundestagswahlen 2017 noch einmal gewinnen, aber nur noch mit dem zweitschlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte - und wegen des drastischen Verlustes der SPD. In der Union formierten sich daraufhin die konservativen Kräfte weiter und erreichten nicht nur die fast vollkommene Durchsetzung ihrer restriktiven Forderungen im Umgang mit Geflüchteten. Sie machten sich auch auf, endgültig ihre Hegemonie über die Partei zurückzuerobern. Merkels Versuch, durch die Berufung der ihr wesensverwandten Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin das Heft des Handelns in der Hand zu behalten, kam möglicherweise zu spät. Denn schon sieht sich die Ex-Ministerpräsidentin des Saarlandes beim Kampf um die Parteispitze mehreren konservativen Kandidaten gegenüber. Und in großen Teilen der CDU, vor allem in ihren östlichen Landesverbänden, wächst die Neigung, sich auch parteipolitisch nach rechts zu öffnen. Das bedeutet in der Praxis, auch ein Zusammengehen mit der AfD nicht mehr auszuschließen. In Sachsen-Anhalt gab es im Landtag bereits entsprechende Kooperationen und auch in Sachsen hat der neue CDU-Fraktionschef Christian Hartmann für einen offeneren Umgang mit Rechtsaußen geworben.
Diese Entwicklung hat Angela Merkel zu einem großen Teil sich selbst zuzuschreiben. Ihre Politik war letztlich mehr von tagesbezogenem Pragmatismus und weniger vom weitsichtigen Blick auf die Zukunft geprägt. Ursprünglich angetreten, die CDU vorsichtig zu erneuern, fehlten ihr dazu am Ende Ideen und Mut. Den Konservativen ermöglichte dies eine Renaissance; die moderaten und liberalen Christdemokraten sahen fast nur noch den Ausweg in einer Stärkung der Grünen. Daraus erklärt sich auch teilweise die Wählerwanderung zu ihnen. Noch regiert wohl die Mehrheit der CDU lieber mit den Grünen als mit der AfD. Wie es in Zukunft darum steht, wird sich bald entscheiden.
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