- Aus dem Netz gefischt
- Krise der Zeitungen
Mediale Marktkonzentration
Weil die Berichterstattung vieler Zeitungen von den Verlagen in Zentralredaktionen gebündelt wird, nimmt die Vielfalt im Journalismus ab
Wer beobachten will, wie sich die Presselandschaft in naher Zukunft entwickelt, sollte in die Schweiz blicken. Der Medienwandel vollzieht sich bei den Eidgenossen teilweise schneller als in anderen Ländern. Der Markt ist mit etwas über acht Millionen potenziellen Konsumenten relativ klein und durch die Mehrsprachigkeit für einzelne Medien nur aufwendig abzudecken. Da wundert es wenig, dass die Schweizer Presselandschaft im Wesentlichen von nur drei Verlagshäusern beherrscht wird. Zusammen kommen Tamedia, Ringier und die NZZ-Mediengruppe in der deutschsprachigen Schweiz auf einen Marktanteil von 82 Prozent bei den Printprodukten, in den rätoromanischen Regionen sind es sogar 90 Prozent. Ähnlich hoch sind die Anteile im Onlinebereich.
Weil die Wachstumsaussichten auf einem kleinen Markt überschaubar sind, tun die Verlage das, was zunehmend auch bei deutschen Medienhäusern zu beobachten ist. Ressorts mehrerer Zeitungen werden zusammengelegt, es entstehen immer mehr Zentralredaktionen, die insbesondere die überregionale Berichterstattung für mehrere Zeitungstitel übernehmen. Wie weit dieser Prozess inzwischen in der Schweiz fortgeschritten ist, hat das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Universität Zürich ermittelt. Ziel der Untersuchung war es, zu überprüfen, ob die Behauptung der Verleger stimme, durch »redaktionelle Kooperationen« würden die Leser profitieren, da Wissen und Stärken unterschiedlicher Redaktionen gebündelt würden.
Die Medienwissenschaftler entlarvten das Versprechen als PR-Sprech für Sparmaßnahmen zulasten der Vielfalt. Mittels eines automatisierten Computerprogramms glichen die Forscher sämtliche Beiträge aus insgesamt 66 Informationsmedien ab, um zu ermitteln, wie häufig der gleiche Text in mehreren Medien erschien. Das Ergebnis: Im Bereich der Politikberichterstattung erscheinen inzwischen 40 Prozent der Beiträge in mindestens zwei Pressetiteln, bei landesweit relevanten Politikthemen sind es sogar 54 Prozent.
Dass dies tatsächlich Folge der zunehmenden Medienkonzentration ist, zeigten die Forscher am Beispiel von »Tages-Anzeiger«, »Der Bund« und der »Berner Zeitung«. Die drei Titel gehören dem Tamedia-Konzern, der seit diesem Jahr große Teile der Berichterstattung in einer Zentralredaktion bündelt. »Nach Einführung der Kooperation stiegen die Anteile geteilter redaktioneller Beiträge in diesen drei Zeitungen um 17 Prozentpunkte auf aktuell 55 Prozent«, heißt es in der Studie. Im Bereich der meinungsbetonten Formate wie Kommentare und Leitartikel erhöhte sich die identische Berichterstattung von 40 Prozent auf nun 68 Prozent.
Aus Sicht der Medienwissenschaftler ist das ein Problem. Sie warnen: »Die Wahrscheinlichkeit, dass in verschiedenen Zeitungen zum Beispiel vor Abstimmungen gleiche Abstimmungsempfehlungen abgegeben werden oder dass im Falle von Skandalen gleichförmige Kritik geübt wird, wächst.« Da Zeitungen aber etwa vor Wahlen als bevorzugte Informationsquelle gelten, sei die schwindende publizistische Vielfalt eine Gefahr für die öffentliche Meinungsbildung.
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