- Wirtschaft und Umwelt
- Privatisierung der Gesundheitsversorgung
Gut getarnte Eigentümer
Die Bundesregierung lässt zu, dass Medizinische Versorgungszentren durch Investoren übernommen werden
Medizinische Versorgungszentren können (MVZ) in der Bundesrepublik seit 2004 gegründet werden. Inzwischen gibt es 2821 dieser Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft. Die Hoffnungen, die an ihre Zulassung verknüpft waren, haben sich jedoch nur zu einem geringen Teil erfüllt, wie jetzt die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten der LINKEN an den Tag brachte, die »nd« vorliegt.
Rasant angestiegen ist der Anteil der MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern - von 2006 bis 2017 versechsfachte er sich auf 1169 Einrichtungen. Mehr MVZ werden nur von den Vertragsärzten betrieben, nämlich 1246. Jedoch stieg deren Zahl seit 2006 kaum - nur um etwa 100.
Im Kommen sind offenbar zahnärztliche MVZ: Krankenhäuser betrieben 2014 bundesweit erst acht solcher Großpraxen, im Juni 2018 waren es schon 50. Inwieweit hier private Kapitalgeber (Private-Equity-Gesellschaften) mitmischen, weiß die Bundesregierung nicht - sie kann sich in ihrer Antwort auf die entsprechende Detailfrage nur auf eine Einschätzung des Kassenzahnärztlichen Bundesverbandes beziehen, die aktuell von 70 MVZ ausgeht, die mit Finanzinvestoren mittelbar oder unmittelbar verbunden sind.
Die Bundesregierung weiß auch nicht, wie viele MVZ allgemein durch privatisierte Krankenhäuser gegründet wurden. Dass es hier ein Einfallstor für Investoren gibt, befürchtete die LINKE schon länger. Da eine direkte Trägerschaft durch Finanzdienstleister nicht möglich ist, wurde eine Umgehungsstrategie entwickelt: Über den Kauf kleiner Krankenhäuser wird das Recht erworben, die ambulanten Versorgungszentren zu gründen. Bei 23 Krankenhäusern soll das nach einer aktuellen Untersuchung der Fall gewesen sein, 15 davon wurden von Private-Equity-Gesellschaften erworben. Insgesamt wird die Zahl der Praxis- und MVZ-Standorte in Private-Equity-Hand auf 420 geschätzt.
Wer ein kleines Krankenhaus kauft, darf in der Bundesrepublik beliebig viele MVZ gründen, weder ein räumlicher noch ein fachlicher Bezug sind dafür nötig. Einschränkungen in dieser Beziehung werden laut Bundesregierung erst »diskutiert«. Die Kritik der LINKEN-Abgeordneten, federführend Achim Kessler, zielt an diesem Punkt auf das Desinteresse auf Regierungsseite: Man habe nicht einmal vor, »Licht in den Trägerdschungel« zu bringen und etwa verbindliche Meldepflichten über die Strukturen einzuführen. Für Kessler lässt das nur einen Schluss zu: »Die Bundesregierung sieht der Übernahme von Gesundheitseinrichtungen durch Großinvestoren tatenlos zu.«
Eine derartige Laissez-faire-Haltung trägt dazu bei, dass die ursprünglichen Intentionen für MVZ-Gründungen nicht erfüllt werden. Denn eigentlich ging es darum, die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu verbessern und die Kooperation verschiedener Fächer zu stärken. Bei der räumlichen Verteilung wurde das Gegenteil noch zementiert, denn nur 14 Prozent der MVZ befinden sich in ländlichen Gemeinden, 80 Prozent in Groß- und Mittelstädten. Ähnlich sieht es bei den zahnärztlichen MVZ aus, von denen sich nur 9,2 Prozent in Landgemeinden oder »kleinen Kleinstädten« finden.
Eine fachübergreifende Versorgung war zwar zunächst in den Bestimmungen zu den MVZ angelegt, wurde jedoch 2015 gestrichen. Das begünstigt fachgleiche Einrichtungen, die sich lukrative Behandlungsfelder auswählen. Dazu passt, dass die am häufigsten gefragten Allgemeinmediziner in den Ärztezentren kaum zu finden sind: Nur fünf Prozent aller Hausärztinnen und Hausärzte arbeiten angestellt in MVZ. Fördernd eingreifen will die Bundesregierung hier nicht, das überlässt sie den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen - die wiederum setzten politisch bevorzugt auf den niedergelassenen Einzelkämpfer.
Die Einrichtung von MVZ hätte ein großes Potenzial, länger bekannte Probleme im ambulanten Bereich zu lösen. Steuernd eingreifen will die Bundesregierung offenbar nicht. Enttäuscht muss auch Kessler resümieren: »Die Entwicklung hin zu spezialisierten MVZ in der Stadt bringt den Patienten, die um ihre künftige Versorgung bangen, herzlich wenig.«
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