• Berlin
  • Arbeitskampf an der Charité

Therapeuten auf den Barrikaden

Der Arbeitskampf bei einem Tochterunternehmen der Berliner Charité spitzt sich zu.

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

Keine Ruhe an der Charité: Es stehen neue Streiks vor der Tür. Die Beschäftigten der Tochterfirma »Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum« (CPPZ) wollen trotz Outsourcing gemäß des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden. Besonders intensiv setzt sich Marzena Manske für bessere Löhne ein, sie ist Physiotherapeutin am CPPZ und Mitglied der ver.di-Tarifkommission.

»Wir gehen jetzt in den Arbeitskampf«, sagt Manske. Es seien Warnstreiktage geplant, um Druck auf Geschäftsführung aufzubauen. »Wir haben schon einen bestimmten Fahrplan bis zum 28. November.« Da nämlich findet die bereits siebte Verhandlungsrunde seit Beginn der Tarifauseinandersetzung im Mai dieses Jahres statt. »Wenn wir dichtmachen, bewegt sich hier gar nichts«, sagt Manske in Hinblick auf die Wirkkraft anstehender Streiks.

Charité
Die Charité ist Europas größtes Universitätsklinikum. Sie gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin und ist mit rund 17 500 Mitarbeiterin einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt. Auf vier Campi der Charité gibt es rund 100 Kliniken und Institute. Die Einnahmen des Klinikkonzerns beliefen sich im Jahr 2017 auf 1,7 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren gab es an der Charité immer wieder Arbeitskämpfe. Insbesondere in Tochterunternehmen wie der Charité Facility Management (CFM). mkr

Die Physiotherapeutin ist schon seit 14 Jahren am Charité-Campus Virchow beschäftigt, seit 2013 am campusübergreifenden Physiozentrum. »Ich als alter Hase sehe den Zerfall des Berufes«, sagt sie. »Ich selbst steuere auf Altersarmut zu.« Sie kämpfe in der Hoffnung, durch die Angleichung ihres Lohns an TvöD, auch ihre Rente aufzubessern. » Aber im Herzen kämpfe ich auch für die nachkommende Generation, damit unser Beruf nicht ausstirbt.« Die Ausbildung zur Physiotherapeutin oder Physiotherapeuten sei teuer, dauere lange und stelle bei der aktuellen Bezahlung keine Perspektive dar.

Am CPPZ beschäftigt die Charité outgesourcte Physio- und Ergotherapeut*innen, Masseur*innen und medizinische Bademeister*innen. Seit Mai dieses Jahres hat es bereits sechs Verhandlungsrunden zwischen ver.di und der Geschäftsführung des CPPZ gegeben, welche zu keiner Einigung geführt haben. Die Forderungen seitens der Belegschaft sind die Angleichung an den TvöD, die Abschaffung sachgrundloser Befristungen sowie die Freistellungen für Fortbildungen.

»Unsere letzte Verhandlung scheiterte daran, dass der Geschäftsführer einen eigenen Haustarif für uns erschaffen möchte«, sagt Manske, die bei den Verhandlungsrunden mit dabei war. Der Geschäftsführer Matthias Wiemann habe schon gute Schritte auf die Beschäftigten zu gemacht, berichtet Manske, aber seine Angebote blieben immer noch hinter dem TvöD zurück. Das liege auch daran, dass die Geschäftsführung die Therapeut*innen in die Gruppe 8 des TvöD zuordnet und nicht in Gruppe 9a, wo sie sich selbst sehen.

Die Betroffenen sehen auch die Landespolitik in der Verantwortung: »Ich finde, die Politik hat große Schuld daran, dass sie das Outsourcing zugelassen hat«, sagt Manske. Deshalb habe es einen Zusammenschluss mit den von Vivantes outgesourcten Therapeut*innen gegeben und es sei Kontakt mit den Landespolitiker*innen aufgebaut worden. Mit der CPPZ-Geschäftsführung gebe es durchaus die Möglichkeit, eine faire Bezahlung nach TvöD zu erkämpfen, sagt Manske. Aber rückführen in den Mutterkonzern Charité könne die Geschäftsführung die Tochter nicht. »Das sind politische Entscheidungen«, sagt Manske. »Auf politischer Linie kämpfen wir um die Rückführung, das wäre die beste Sicherheit für unsere Arbeitsplätze.«

Auch ver.di-Verhandlungsführer Kalle Kunkel sieht die Verantwortung für oder gegen die Praxis des Outsourcings auf der politischen Ebene. »Der Senat muss dafür sorgen, dass die Unternehmen dieses Outsourcing beenden«, sagt Kunkel. Um Lohndumping zu verhindern, müsse Outsourcing bekämpft werden. »Aber das traut der Senat sich bisher einfach nicht gegenüber den Vorständen der Mutterhäuser durchzusetzen.«

Für die kommende Verhandlungsrunde sei ver.di kompromissbereit gegenüber der CPPZ-Geschäftsführung, was den Angleichungszeitraum des aktuellen Lohns an den TvöD anbelangt, nicht aber in der Höhe, so Kunkel. »Wir wollen nicht morgen TvöD, aber wir wollen, dass die Perspektive klar beschrieben und vertraglich festgelegt wird.« Kunkel schätzt dies für die Charité als durchaus machbar ein, da es um nur etwa 100 CPPZ Beschäftigte gehe, deren Lohnerhöhung für das große Charité Budget nicht allzu viel ausmache. Bisher habe die Geschäftsführung eine Lohnerhöhung von 18 Prozent über drei einhalb Jahre angeboten, was noch 10 Prozent unter TvöD liege, so Kunkel.

Die Charité äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu, warum am CPPZ nicht nach TvöD bezahlt werde. Pressesprecherin Manuela Zingl teilte dem »nd« aber mit, es habe bereits sehr konstruktive Verhandlungsrunden gegeben und das CPPZ habe viele Verbesserungen angeboten, die die Tarifkommission positiv anerkannt habe. »Leider hat die Tarifkommission in der sechsten Verhandlung weitere konstruktive Verhandlungen abgebrochen und mit Streikmaßnahmen gedroht«, sagt Zingl. In welchem Maße ein Warnstreik den Betriebsablauf beeinträchtigen werde, könne man noch nicht sagen.

Die CPPZ ist nicht die erste Tochterfirma der Charité, die sich gegen schlechte Bezahlung und Outsourcing wehrt. Nach jahrelangem Tarifstreit inklusive Streiks haben die 1600 Mitarbeiter*innen der Firma Charité Facility Management (CFM) im Frühling dieses Jahres eine Gehaltaufstockung von bis zu 280 Euro monatlich erreicht. Zuvor war das Unternehmen tariflos. Die Löhne der Beschäftigten lagen bis zu mehreren hundert Euro unter denen der direkt bei der Charité Angestellten - für die gleiche Arbeit.

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