Mit 20 Semestern gegen Deutschland

Die Studierendenvertretung an der Universität Osnabrück sorgt mit einem Beutel für Empörung bei der Jungen Union

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 3 Min.

Über 2.000 Beutel mit Stiften, einem Wandkalender und verschiedenen Broschüren gab der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) bei der Begrüßung der Erstsemester in der Osnabrücker Stadthalle Ende Oktober an die Studierenden aus. Ein üblicher Vorgang, den es so an vielen Hochschulen in Deutschland gibt. Nicht ganz so üblich war der Slogan, den der AStA darauf gedruckt hat: »Für Deutschland keinen Finger krumm – 20 Semester Minimum«. Beschwerden von den Erstis gab es bei der Begrüßung deshalb nicht, erinnert sich Pauline. Sie ist Referentin für Soziales, Gleichstellung und Inklusion beim AStA.

Die Junge Union in Osnabrück sieht darin aber einen Skandal - und stellte gleich mal die repräsentative Demokratie der verfassten Studierendenschaft in Frage: »Wer mit antideutschen Slogans bei einer Ersti-Woche wirbt, der hat an einer deutschen Hochschule keinerlei Berechtigung mehr, sich als ausführendes Organ der Studentenschaft präsentieren zu dürfen.« Die Berechtigung leitet sich jedoch nicht von den politischen Auffassung der Jungen Union ab, sondern von der Wahlentscheidung der Studierenden für den 45-köpfigen Studierendenrat. Bei der letzten Wahl konnte die Junge Union Hochschulgruppe nur 180 von 1861 Wählern überzeugen und bekam so vier Sitze. Die Mehrheit im Studierendenrat wird von linken Listen getragen, die auf sich 33 Sitze vereinen.

Doch warum überhaupt dieser Slogan? »Letztes Jahr haben wir die selben Beutel bestellt, aber ohne Spruch. Und dieses Jahr dachten wir uns: ‚Lass doch mal was streitbares machen‘«, erklärt Pauline. Die Junge Union und die Liberale Hochschulgruppe glauben, dass die Beutel nicht die Meinung der Studierenden repräsentiert. »Alle Erstis, die einen Beutel bekommen haben, sind danach dann auch damit rumgelaufen«, entgegnet Pauline. Der Beutel sorgte auch wegen der Empörung für Aufmerksamkeit in den regionalen Medien.

Hinter dem Beutel steckt Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft und damit an der Situation der Studierenden an den Universitäten. Während die Liberale Hochschulgruppe dafür plädiert, dass die Erstis ihr Studium in Regelzeit durchziehen sollen, will der AStA sich dem nicht beugen: »Wir haben ein Problem damit, dass ein Studium der Marktlogik folgen muss und finden es fragwürdig, dass es überhaupt die Regelstudienzeit gibt, während nur noch etwa 20 Prozent der Studierenden BAföG bekommen«, kritisiert Pauline. Ohne BAföG könne man auch nicht 40 Stunden in der Woche ins Studium investieren.

Zudem sehen sie in der Standortlogik ein Problem: »Wir wollen uns keinem Zwangskollektiv unterordnen, ob das nun eine Nation, eine Universität, Arbeitsstelle oder was auch immer ist.« Der AStA will, dass die Studierenden sich politisch und kritisch bilden: »Wir sind der Meinung, dass man sich gerne für Demokratisierung, eine wirklich kritische Bildung und eine bessere Gesellschaft einsetzen soll.« Vielen Menschen bleibe der Weg in die Hochschule wegen ihrer sozialen Herkunft oder struktureller Diskriminierung versperrt.

»Bei sowas kann man gerne den Finger krumm machen, aber nicht für diesen Nationalstaat«, so Pauline. Für Liberale und Konservative hat sie eine Botschaft: »Es ist fragwürdig, dass die sich immer nur zu Wort melden, wenn es um sowas wie einen Beutel geht, aber wenn es wirklich um Probleme von Studierenden geht - überfüllte Seminare, struktureller Rassismus, zu wenig Investitionen in die Hochschulen -, dann schweigen sie.«

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