Betroffenheit ohne Betroffene

Paula Irmschler über die Reaktionen auf die Vergewaltigung einer Frau in Freiburg

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 2 Min.

In Freiburg wurde eine junge Frau von mutmaßlich acht Männern vergewaltigt, sieben davon Syrer, einer Deutscher. Diese Tat ist unvorstellbar grausam, sie ist Zeugnis eines Terrors gegen Frauen und sie ist deswegen auch politisch. Die Reaktionen sind erwartbar, aber deshalb nicht erträglicher. Während Rassisten sich bestätigt fühlen, dass man »die« (die Gruppenzugehörigkeit der Täter wird von Fall zu Fall mal so, mal so bestimmt) ja nicht integrieren, vernünftig sozialisieren, überhaupt in Deutschland akzeptieren kann, wollen nicht wenige Antirassisten sich über die Sache selbst lieber ausschweigen und stattdessen nur mit den Folgen beschäftigen und denen, die sich nun bestätigt fühlen, also den Rassisten. Also widmen sie ihnen Meinungen, Pamphlete, Demonstrationen. Sie reagieren auf Reaktionen. Am Rande wird dann manchmal noch erwähnt, wie schlimm das ist, was der Frau passiert, aber politisch behandelt wird das Thema Gewalt gegen Frauen von Linken in solchen Fällen viel zu selten.

Man lässt sich dadurch die Bühnen und das Programm von Rassisten diktieren und setzt damit immer wieder einen Schwerpunkt - zuungunsten von Betroffenen. Selbstverständlich geht es Rechten nicht um die Frauen. Es geht um »unsere« Frauen, um etwas, das Deutschen gehört. Als Sophia L. von einem Lkw-Fahrer ermordet wurde und über sie zu erfahren war, dass sie sich für Flüchtlinge engagiert hat, waren die Häme und Anfeindungen von Rechten gegen sie groß. Läge Rechten der Schutz von Frauen so am Herzen, wie sie behaupten, würden sie sich für sie engagieren, egal welche Herkunft sie haben. Um betroffene Frauen, die unter radikal muslimischen Strukturen leiden, kümmern sich aber keine Rechten, weil sie ihnen egal sind, weil man sie im Gegensatz zu betroffenen deutschen Frauen nicht als politische Verhandlungsmasse benutzen kann.

Deswegen ist es wichtig, sich gegen Rassismus zu stellen, gegen rechte Vereinnahmungen, gegen Pseudosolidarität, die nur immer dann zum Tragen kommt, wenn die Täter als fremd markiert sind. Aber es ist auch wichtig, sich dieser Schwerpunktsetzung nicht zu unterwerfen und das Thema Gewalt gegen Frauen, bei dem Täterprofile sehr wohl eine Rolle spielen, nämlich insofern, dass man erst durch das Verständnis von Sozialisierung und Psyche von Tätern politisch und gesellschaftlich reagieren kann, nicht hintanzustellen. Männliche Normen und die Gefahr von stark patriarchalischen Kulturen werden nur thematisiert, wenn man sich dadurch selbst reinwaschen kann darüber. Es gibt nach solchen Anlässen nie eine Demonstration gegen sexuelle Gewalt. Dabei sind Antirassismus und Feminismus parallel möglich. Sie dürfen sich nicht ausschließen.

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