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Grundstein hinter Detektor
Moschee in Erfurt wird nun Wirklichkeit, gesellschaftlicher Konsens über den Neubau nicht
Als draußen die Protestierenden ihre Schilder in die Luft halten und ein Lautsprecher ihre anti-islamischen Parolen verstärkt, spricht Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im zugigen Innenraum des großen Zeltes über das Judentum. Hier wird soeben die Grundsteinlegung für Thüringens ersten Moschee-Neubau gefeiert. Vor etwa 150 Jahren, sagt Ramelow, sei an vielen Orten eine ähnlich hasserfüllte Stimmung zu spüren gewesen. Damals wurden Synagogen gebaut. Einige Jahrzehnte später, so Ramelow vor all den Muslimen im Inneren des Zeltes, habe diese Stimmung dann zur industriellen Vernichtung von Juden geführt. 1938 erreichte der Zivilisationsbruch der Shoa mit den Novemberpogromen eine grausame Wegmarke.
Also, argumentiert Ramelow am Dienstag in Erfurt, während die Moscheegegner draußen stehen, gehe es an diesem Tag und bei diesem Projekt nicht nur um den Bau eines Gotteshauses für die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde. Nicht einmal einhundert Mitglieder hat diese in Thüringen, auch wenn sie die muslimische Gruppierung ist, die seit Jahren in der Öffentlichkeit am sichtbarsten ist. Tatsächlich gehe es um die Religionsfreiheit in diesem Land, sagt Ramelow. Darum, wie es die Menschen mit ihrem eigenen Grundgesetz hielten, in dem jeder Religion garantiert wird, dass sie nicht nur geachtet wird, sondern auch gelebt werden darf, solange sie friedlich ist, dabei nicht zum Hass aufgerufen wird.
Drinnen nicken sie, als Ramelow solche Sätze sagt. Die Gäste der Feierlichkeiten sitzen an runden Tischen. An den Seiten des Zeltes haben Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde ein Büffet aufgebaut. Überall stehen Männer mit dichten Bärten und traditionellen Kopfbedeckungen und bieten ihre Hilfe an.
Draußen kommen Ramelows Sätze nicht an. Weil die Moscheegegner lieber ihren lautsprecherverstärkten Rednern zuhören. Auf der Wiese gegenüber dem Bauplatz will man diese Sätze nicht verstehen. Aus Sicht der überwiegend weißen Männer mit grauen Haaren ist der Bau der Moschee ein Bruch mit den Ideen des Grundgesetzes. Dieses Fundament des deutschen Rechtsstaates, so heißt es von ihnen, schreibe zum Beispiel die Gleichberechtigung von Mann und Frau vor. Im Islam gelte das nicht.
Und so ist diese Grundsteinlegung vor allem ein Ausweis dafür, wie sehr der Umgang mit dem Islam und seinen verschiedenen Ausprägungen die Gesellschaft spaltet. Wie sehr der Umgang mit der Flüchtlingsfrage spaltet, umso mehr, als viele Migranten Muslime sind. Dass die Polizei mit Dutzenden Beamten die Grundsteinlegung sichert, dass die Ahmadiyya-Gemeinde zahlreiche eigene Sicherheitsleute auf ihrem Gelände einsetzt und dass sogar ein Metalldetektor am Einlass zum Festzelt steht, all das macht diese Spaltung sichtbarer. Auch wenn es sicher falsch wäre, von zwei gleichgroßen Lagern auszugehen, selbst wenn die Moscheegegner Unterstützung von der Thüringer AfD erhalten. Zu den Befürworter des Moscheeneubaus gehören nicht nur LINKE, SPD und Grüne. Sondern unter anderem auch Vertreter der christlichen Kirchen im Land, der Jüdischen Landesgemeinde, der Gewerkschaften.
Kurz bevor nach etwa eineinhalb Stunden der erste Grundstein den Boden berührt, spricht auch der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser. Er spricht von geplanten Baukosten in Höhe von 700 000 Euro. Es sei also kein »Protzbau«, der hier entsteht, sondern ein Gebäude, so groß wie ein Zweifamilienhaus. Ein Gebäude mit Kuppel und einem acht Meter hohen Zierminarett. Den Menschen im Zelt sagt er, dass die Liebe der Gemeindemitglieder so groß sei, dass sie selbst für die Gegner ihres Gotteshauses reiche. Doch gibt er sich auch an diesem Tag keine Mühe zu verschleiern, welchen Angriffen Muslime zunehmend ausgesetzt seien. Anti-islamische Hetzreden seien inzwischen nicht mehr nur auf den Straßen zu hören, sondern auch in deutschen Parlamenten, sagt Wagishauser. Juden in Deutschland sagen das über antisemitische Hetze und Gewalt inzwischen auch wieder.
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