Bürgerkrieg in der Lindenstraße

Eine nicht einsatzfähige europäische Armee hätte durchaus Vorteile, meint Bernd Zeller

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht befasst sich mit dem europäischen Friedensprojekt, das Kanzlerin Merkel zu hinterlassen gedenkt. Hatte Immanuel Kant in seinem Werk »Zum ewigen Frieden« geschrieben, ein Vertragssystem von Staaten, in denen Demokratie besteht, könne geeignet sein, den Frieden zu erhalten, so hat der europäische Gedanke inzwischen weitere Entwicklungen genommen.

Denn Kant ahnte nicht, dass mit der EU ein staatliches Gebilde entsteht, welches aufgrund seiner Größe und Bedeutung Politiker anlockt, die sich für Kleines nicht weiter interessieren und den Bürgern Vorschriften machen, wie die Bürger es in ihrer provinziellen Demokratie sich von ihren unmittelbar gewählten Vertretern kaum bieten lassen würden. Dadurch haben die Europapolitiker weniger Kapazitäten, sich auf die Arbeit der Vermittlung zwischen den souveränen Staaten zu konzentrieren, darum muss der Frieden anderweitig garantiert werden, und deshalb unterstützt Kanzlerin Merkel den Plan des französischen Präsidenten Macron zur Schaffung einer europäischen Armee.

So bekommen wir ein weiteres europäisches funktionsunfähiges Großprojekt. Eine desolate Armee ist immer noch der sicherste Schutz vor Militarismus, wie wir schon an der Bundeswehr sehen, und die Lehre aus dem Ersten Weltkrieg hat die Kanzlerin in ihrer Rede zum Jubiläum des Kriegsendes angesprochen. Hätte es damals nur eine europäische Großarmee gegeben, die nicht funktioniert, wäre die Katastrophe abgewendet worden.

Daher erscheint es gleichfalls dringend geboten, dass Ursula von der Leyen eine höchste Kommandofunktion erhält. Fehlentscheidungen, wie sie im Ernstfalle verheerende Auswirkungen hätten, wären ausgeschlossen, da sich die Beraterfirmen auf eine vorzunehmende taktische Maßnahme einigen müssten, was wiederum davon abhinge, welche Firma das meiste Geld bekommen hat und ihren Rat darum am effizientesten durchsetzen kann. Dass auf diese Weise Ernstfälle gar nicht erst auftreten, liegt auf der Hand.

Beratung ist indes ebenso notwendig bei der Ausstattung der europäischen Armee mit Panzern, die die Diesel-Euronorm erfüllen, damit sie nicht von kriegsentscheidenden Fahrverboten betroffen wären, und bei der Umstellung des Heeres auf schwangerschaftskompatible Uniformen. Einwegplastik ist ohnehin wegzubefehlen, spätestens die Marine Plastikbeutel, die ins Meer gelangt sind, abzufangen und in Gewahrsam zu nehmen. Allerdings kann sich dieses Mandat nur auf die europäischen Küsten erstrecken; gegen Plastik aus den Flüssen anderer Kontinente zu kämpfen, sollte den Zivildienstleistenden vorbehalten bleiben.

Während die Bundeswehr aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht im Inneren eingesetzt werden darf, könnte die europäische Armee robust gegen Unruhen vorgehen, denn solche drohen. Etwa wenn die »Lindenstraße« abgesetzt wird. Die Fans könnten im »Tatort« einen nur unzulänglichen Ersatz finden und schon durch den Mangel an Vertrautheit, die sie in der »Lindenstraße« vermittelt bekamen, zu wütenden Bürgern werden.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass sie als Bürger wütend sind und sich nicht aus angestauter Aggressivität freiwillig zum europäischen Armeedienst melden. Wutsoldaten und eine nicht ausgelastete Heeresführung könnten eine explosive Mischung abgeben, womit wir bei der Frage angelangt wären, gegen wen sich die EU-Armee strategisch in Stellung bringen sollte. Die häufig gebrauchten Formulierungen »sich positionieren« und »Stellung beziehen«, auch »Zeichen setzen«, sind militärische Begriffe - da böte sich als Nicht-EU-Land die Schweiz an. Bei Großbritannien kommt es darauf an, ob es mit dem Brexit noch was wird. Russland hat mit Putin einen Bösewicht zu bieten, aber für schnelle bewaffnete Blitzkonflikte ist es dort zu kalt. Trump will aus dem Weltraum angreifen, so was sind dann schon eher würdige Szenarien.

Auf jeden Fall wird Merkel verkünden: Scheitert die europäische Armee, dann scheitert der Euro.

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