»Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mich selbst verleugne«

Bundestagsabgeordneter Bülow tritt aus SPD aus / Bisheriger Parteilinker wirft Sozialdemokraten Orientierungslosigkeit vor

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow hat seinen Austritt aus der SPD bekanntgegeben. Der bisherige Parteilinke Bülow begründete dies am Dienstag in Berlin mit vergeblichem Kampf gegen eine »Entsozialdemokratisierung« der Partei sowie anhaltender »Orientierungslosigkeit« der Sozialdemokraten. Sein Parlamentsmandat will er aber behalten. Der 47-Jährige will dem Bundestag aber weiter als fraktionsloser Abgeordneter angehören, wie auch der »Tagesspiegel« berichtete. Bülow ist ein scharfer Kritiker des Kurses von Parteichefin Andrea Nahles. Er hatte sich auch der linken »aufstehen«-Bewegung von Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht angeschlossen.

Für die ohnehin schon unter Druck stehende Nahles ist der Parteiaustritt eine weitere schlechte Nachricht. Einzelheiten zu seinen Beweggründen gab Bülow am Dienstag in einer Pressekonferenz in Berlin bekannt. Der gelernte Journalist vertritt den Wahlkreis Dortmund I. Er sitzt seit 2002 im Bundestag.

»Nach 26 Jahren Mitgliedschaft und 16 Jahren als Bundestagsabgeordneter trete ich aus der SPD aus. Ich tue dies nach reiflicher Überlegung, ohne Häme, aber ernüchtert und auch traurig«, schrieb Bülow nun in einer persönlichen Erklärung. Er warf seiner Partei vor, dass es bei ihr »trotz unglaublicher Verluste und Niederlagen bei den Wahlen« immer nur »ein Weiter-so« gegeben habe. Konstruktive Kräfte hätten sich zurückgezogen oder angepasst.

»Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mich selbst verleugne, meine Glaubwürdigkeit verliere, wenn ich keine Konsequenzen ziehe«, teilte Bülow dazu mit. Er sei aber »voller Tatkraft und möchte Politik weiterhin gestalten«. Diese Energie wolle er jedoch »dort einsetzen, wo sie auch Wirkung entfalten kann«. In Deutschland sei »die Sehnsucht nach einer klaren, sozialen Alternative groß, aber die SPD steht leider nicht mehr dafür«.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Achim Post forderte ihn unterdessen auf, sein Mandat zurückzugeben. »Die Entscheidung von Marco Bülow ist der Schlusspunkt einer längeren Entwicklung, die für viele keine Überraschung ist«, sagte Post dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das »Forum Linke SPD« schrieb auf Twitter, Bülow habe sich mit seinem Engagement bei Aufstehen »endgültig isoliert«. Wer etwas verändern wolle, müsse das »in der Partei tun und nicht in skurrilen Vereinen mit Dieter Dehm und Sahra Wagenknecht«. Der Austritt sei »schade und falsch«, twitterte der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. Der Gesundheitspolitiker schrieb, die SPD habe »die historische Aufgabe für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen (...) auch wenn es nicht gut läuft«.

Man solle den Austritt erst einmal »einfach hinnehmen« und nicht »nachtreten«, schrieb dagegen die rheinland-pfälzische SPD-Abgeordnete Giorgina Kazungu-Haß. Sie will »dafür sorgen, dass sowas ein Einzelfall bleibt«. Agenturen/nd

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