Italien schafft humanitären Schutz ab

»Sicherheitsdekret« in der Abgeordnetenkammer angenommen / Zustimmung zu UN-Migrationspakt liegt aus Eis

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

»Jetzt ist Italien sicherer«, freute sich am Dienstag Italiens Innenminister Matteo Salvini, nachdem die Abgeordnetenkammer sein Sicherheitsdekret mit einem Vertrauensvotum angenommen hatte. Seine Partei, die rechtsextreme Lega, aber auch die Koalitionspartner von der Fünf-Sterne-Bewegung, hatten gemeinsam für einen Maßnahmenkatalog gestimmt, der in erster Linie gegen Migranten gerichtet ist.

Matteo Salvini erfüllt so - zumindest auf dem Papier - eines seiner großen Wahlversprechen: die Eindämmung der Migration nach Italien und die Bekämpfung der »Illegalität«. Tatsächlich sind die Zahlen der Ankünfte im letzten Jahr extrem zurückgegangen. Während im vergangenen Jahr noch 117.000 Flüchtlinge in Italien landeten, waren es 2018 bisher gerade einmal 13.000. Die Grundfesten für diesen Rückgang legte allerdings der Salvinis Amtsvorgänger, der letzte Innenminister Marco Minniti von der Demokratischen Partei PD. Dieser hatte vor allem die libysche Küstenwache mit neuen Booten und Ausbildern unterstützt und beide Augen vor den katastrophalen Bedingungen für Flüchtlinge in dem nordafrikanischen Staat verschlossen.

Bisher beschränkte sich der Aktivismus von Matteo Salvini wiederum in erster Linie auf Angriffe gegen humanitäre Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, die jetzt keine Rettungsboote mehr im Mittelmeer haben. Mit dem neuen Dekret wird aber nun auch ganz entschieden an der Asylschraube gedreht. Ab sofort wird es in Italien keinen »humanitären (oder subsidiären) Schutz« mehr geben. Nun werden - abgesehen vom Asylrecht - nur noch einjährige Sondergenehmigungen vergeben werden, wenn der oder die Schutzsuchende entweder schwer krank, Opfer von Menschenhandel, häuslicher Gewalt oder Naturkatastrophen geworden ist.

Konkret heißt das, dass viele Migranten, deren Schutzstatus in den kommenden Monaten ausläuft, plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes schutz- und rechtlos dastehen werden. Das unabhängige »Italian Institute for International Political Studies« (ISPI) geht davon aus, dass die Zahl der »Illegalen« bis 2020 von den augenblicklich 490.000 Menschen auf 625.000 Menschen anwachsen wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des »Sicherheitspaketes« ist, dass Menschen ohne Anrecht auf Asyl zukünftig bis zu sechs Monaten in »Identifizierung- und Abschiebungszentren« festgehalten werden können. Dass Abschiebungen auch weiterhin kaum möglich sein werden, wird nicht berücksichtigt. Sollten sie mit der gleichen Geschwindigkeit wie heute erfolgen, dann dürfte das an die 900 Jahre dauern. Auch Personen, die bereits Asyl erhalten haben, können ausgewiesen werden, wenn sie bestimmte Straftaten (von Vergewaltigung bis Einbruchsdiebstahl ist alles dabei) begangen haben.

Besonders relevant ist auch die schrittweise Abschaffung des kommunalen Aufnahme- und Integrationssystems SPRAR. Zu diesem System gehört unter anderem auch Riace, das Dorf in Kalabrien, das für seine humane Integrationspolitik weltberühmt wurde. In Zukunft dürfen hier nur noch unbegleitete Jugendliche oder Migranten mit definierten Status untergebracht werden. Wenn die aufnehmenden Gemeinden bisher 35 Euro pro Person und Tag bekamen, werden es von nun an nur noch 25 Euro sein. Abgeschafft werden zuerst Sprachunterricht, juristische und psychologische Unterstützung. Die Asylsuchenden dürfen in Zukunft auch nicht mehr arbeiten, was unweigerlich zu einem Anstieg der Schwarzarbeit, vor allem in der Landwirtschaft führen wird, wo Migranten auch jetzt schon menschenunwürdig behandelt werden.

Noch gravierender als all diese Maßnahmen an sich, von denen einige in den kommenden Monaten wieder vom Verfassungsgericht kassiert werden könnten, ist aber die Verschlechterung des allgemeinen Klimas in Italien. Es gilt inzwischen als legitim, Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder auch aufgrund anderer Ansichten auszugrenzen, zu beschimpfen oder physisch anzugreifen. Die Fünf-Sterne-Bewegung sagt zu all dem Ja und Amen und es ist der Partei offensichtlich egal, dass sich ihre Umfragewerte im freien Fall befinden. Anders als die der Lega von Matteo Salvini, die im vergangenen März 17 Prozent der Wählerstimmen erhielt - und die heute in der »Sonntagsfrage« bei 35 Prozent liegt.

Ebenfalls am Mittwoch erklärte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte im Rom, das Land werde nicht an der UN-Konferenz in Marrakesch am 10. und 11. Dezember zur Verabschiedung des UN-Migrationspaktes teilnehmen. Man wolle zunächst den Ausgang der parlamentarischen Debatte zu dem Pakt abwarten, bevor sie endgültig über die Annahme des Abkommens entscheide.

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