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Von Leuchttürmen und Lagerfeuern
DFB-Präsident Reinhard Grindel sprach in dieser Woche in Berlin oft von gesellschaftlicher Verantwortung, macht aber hauptsächlich Werbung für die Fußball-Europameisterschaft 2024.
Um die Bedeutung des Fußballs zu beschreiben, schlägt Reinhard Grindel einen großen Bogen. Die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland verschiebt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kurzerhand auf den späten Nachmittag des 4. Juli 1954 - nicht ohne auf die Expertise »nicht weniger Historiker« zu verweisen. Weltmeister! Wir sind wieder wer. »Ohne das Wunder von Bern wäre das Wirtschaftswunder nicht denkbar gewesen«, erzählt er im Berliner Ludwig-Erhard-Haus. Vom mentalitätsgeschichtlichen Jubel landet Grindel schnell in der grauen Gegenwart: »Die Gesellschaft zerfällt in digitale Einzelteile.« Er will die Leute packen - und um das »letzte große Lagerfeuer« versammeln, den Fußball.
Gesellschaftliche Verantwortung: Das soll das Thema des 57-Jährigen in diesen Tagen sein. Aber so wenig der studierte Jurist Grindel es vermag, Menschen mit Worten emotional zu berühren, so wenig ist seine warnende Bestandsaufnahme von zunehmender »Individualisierung und Digitalisierung« eine Systemkritik. Im gleichen Atemzug warnt er nämlich davor, die Kraft des Fußballs zu überhöhen. Nicht ohne Grund. Denn sein eigentliches Anliegen, das wird am Dienstag schnell klar, ist das Werben für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Und so wirbt Grindel auf der Veranstaltung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller nicht nur für Investitionen in sportliche Infrastruktur, sondern spricht auch vom großen Wert des Turniers für die zehn Ausrichterstädte »durch zusätzliche Steuereinnahmen«. Dass dem europäischen Verband weitgehende Steuerbefreiung garantiert wurde, erwähnt der DFB-Präsident nicht. Wie viel Geld dadurch verloren geht, unterliegt nach Auskunft der Bundesregierung »dem Steuergeheimnis«. Eine Zahl lässt die Ausmaße erahnen: Rund 1,9 Milliarden Euro hat die UEFA bei der EM 2016 eingenommen.
»Mehr kann man eigentlich nicht machen, um Kritik und Skepsis gegenüber Großveranstaltungen zu überwinden«, sagt Reinhard Grindel am Donnerstag. In einem 5-Sterne-Hotel in Berlins Mitte beginnt gerade die zweitägige Jahrestagung des DFB - unter der Überschrift »Gesellschaftliche Verantwortung«. Der Nachhaltigkeitsbericht des Verbandes liegt auf jedem Tisch und informiert über viele nützliche Projekte. Und auch hier ruft der Präsident »das Leuchtturmprojekt EM 2024« als Gegenbewegung zur zunehmenden Nationalisierung in Europa aus. Das Motto des Turniers passt: »United by Football - Vereint im Herzen Europas«.
Zweifelsfrei ist es ein Fortschritt, dass die UEFA erstmals eine EM-Vergabe mit der Einhaltung von Menschenrechten auf Basis der UN-Richtlinien verbunden hat. Die unumstrittene integrative Kraft des Fußballs kann Grindel mit Zahlen belegen: »80 000 Flüchtlinge spielen mittlerweile in unseren Vereinen.« Selbstverständlich ist der Applaus, wenn dem Rassismus in bestem Fußballdeutsch die Rote Karte gezeigt wird. Die Namen von Mesut Özil und Ilkay Gündogan fallen leider nicht. Unverständnis darüber wird im Auditorium sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag geäußert - leise, hinter vorgehaltener Hand. Denn der zweifelhafte Umgang des DFB und seines Präsidenten mit den Nationalspielern mit türkischen Wurzeln ist kein halbes Jahr her.
Am Donnerstag steht auch Sylvia Schenk auf dem Podium, als Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International. Nichtregierungsorganisationen bezeichnet der DFB mittlerweile als sogenannte Stakeholder. Auch ein Fortschritt. Schenks NGO begleitete sogar den Bewerbungsprozess um die EM 2024. »Danke«, sagt Grindel dafür. Was will man auch mehr, wenn schon der Name Transparenz garantiert. Schenk gratuliert dem Verband zur erfolgreichen Bewerbung. Sie möchte aber auch kritisch sein. Also spricht auch sie über Verantwortung und Vorbildfunktion des Fußballs. Ihre Frage: »Muss man sich immer mehr für Glücksspiel und Sportwetten öffnen?« Eine Antwort darauf gab Reinhard Grindel am Dienstag. Vorbilder wie Oliver Kahn oder Bastian Schweinsteiger werben für Wettanbieter oder die Deutsche Automatenwirtschaft. »Das liegt nicht in meinem Verantwortungsbereich«, meint Grindel. Die dritte Liga schon, es ist die höchste Spielklasse des DFB. Und da war die Freude beim Verband Sommer 2017 riesengroß, als »bwin« als neuer, finanzkräftiger Hauptpartner dieser Liga präsentiert werden konnte.
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