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Junger Chef
Marko Grujic bestimmt das Spiel von Hertha und führt das Team zum Sieg gegen Frankfurt
Es ist ruhiger geworden um die Videoassistenten der Schiedsrichter. Das ist grundsätzlich erst mal gut. Die Verantwortlichen der Fußballverbände haben mehr Zurückhaltung verordnet. Und so lebt das Spiel ohne ständige Unterbrechungen wieder etwas mehr von seiner Spontanität und Emotionalität. Die Frage, ob es nicht auch gänzlich ohne geht, stellt sich wohl nicht mehr. Das war in der vergangenen Saison noch anders: minutenlange Ungewissheit an jedem Spieltag, in fast jedem Stadion. Und dazu auch noch Fehlentscheidungen, die es ohne den Videobeweis nicht gegeben hätte.
»Ich weiß nicht, warum es kein Signal aus Köln gegeben hat, um sich die Szene noch mal anzuschauen«, fragte sich Adi Hütter am Samstagabend. Der Frankfurter Trainer klagte nach dem 0:1 bei Hertha BSC: »Wenn ich hier keinen Elfmeter gebe, dann weiß ich nicht, wann.« Wie im Berliner Olympiastadion löst in dieser Saison manchmal das fehlende Veto aus der Videozentrale Verzweiflung aus. Vielleicht funktionieren die Abläufe ja irgendwann mal so gut, dass diese Mischung aus Mensch und Technik von einer Mehrheit als gewinnbringender Teil des Spiels akzeptiert wird.
Eintracht Frankfurt muss damit leben, am 14. Spieltag der Bundesliga um einen Punkt betrogen worden zu sein. Im Zentrum der strittigen Szene in der 86. Minute standen Herthas Mittelfeldspieler Marko Grujic und Stürmer Luka Jovic. Der Frankfurter bekam den Ball im Berliner Strafraum, wurde aber von Grujic so heftig von hinten bedrängt und nach unten gezogen, dass ein kontrollierter Abschluss nicht mehr möglich war.
Der Ärger war berechtigt. Und umso größer, weil sich die Frankfurter eigentlich einen Punkt verdient hatten. Während das Spiel in der ersten Halbzeit noch ausgeglichen und offen war, erarbeitete sich die Eintracht in der zweiten Hälfte ein deutliches Übergewicht. Eine Statistik als Beleg: 6:6 Torschüsse wurden nach 45 Minuten gezählt, nach Spielende hieß es 16:7 für Frankfurt. Dass den Gästen trotz des Drucks kein Tor gelang, lag aber nicht nur an Fehlentscheidungen anderer. Vor allem Jovic, mit zehn Treffern bislang bester Bundesligaschütze, zielte diesmal nicht genau genug. Und mit den fragwürdigen Auswechslungen von Ante Rebic und Gelson Fernandes nach 72 Minuten endete das gefährliche Frankfurter Kombinationsspiel, stattdessen wurden meist harmlose Flanken in den Berliner Strafraum geschlagen.
Zufrieden war Adi Hütter dennoch - mit der Leistung seines Teams. »Es ist auch klar, dass wir bis Weihnachten nicht jedes Spiel gewinnen und immer drei Tore schießen können«, sagte der Frankfurter Trainer auch noch. Mit begeisterndem Offensivfußball sowie einer beeindruckenden Siegesserie in der Bundesliga und der Europa League hatte die Eintracht in den vergangenen Wochen überzeugen können.
Nun steht Hertha BSC nach dem Sieg, punktgleich mit der Frankfurter Überraschungsmannschaft, auf Platz sechs. Und das hat viel mit Marko Grujic zu tun. Dass es gegen die Eintracht und Luka Jovic schwer werden würde, wusste er vorher: »Es wird hart. Seine Form ist wirklich unglaublich. Auf dem Platz muss ich ihn ausschalten.« Das hat er, wenn auch regelwidrig, kurz vor Spielende gewinnbringend getan. Und damit hat er verhindert, wovon er schon lange weiß: »Auch damals hat er aus jeder Chance ein Tor gemacht.« Grujic und Jovic hatten schon als Kinder zusammen bei Roter Stern Belgrad gespielt.
In der letztlich entscheidenden Szene spielte Grujic ebenfalls die Hauptrolle. Nach einem Eckstoß von Marvin Plattenhardt stieg der 1,91 Meter lange Serbe in der 40. Minute am höchsten und köpfte den Ball aus sieben Metern unhaltbar ins Frankfurter Tor. Es war sein erster Treffer in der Bundesliga. »Ich bin sehr glücklich«, verriet er nach dem Abpfiff.
Stolz konnte er auch sein. »Er ist mit Abstand der beste Mittelfeldspieler, seit ich hier bin«, lobte Pal Dardai den 22-Jährigen später auf der Pressekonferenz. Und der Ungar beschrieb damit nicht nur seine fast fünfjährige Trainerzeit in Berlin, sondern seine gesamte Karriere in der Hauptstadt - mehr als 21 Jahre. Überzeugt war Dardai von Grujic sofort. Als Leihgabe kam er im Sommer vom FC Liverpool mit relativ wenig Erfahrung, war aber sofort gesetzt im Mittelfeld der Berliner. Mit seiner Übersicht, Ruhe, Zweikampfstärke, Passsicherheit und dem Offensivdrang machte er die Mannschaft auch sofort besser. Nach vier Spieltagen stand Hertha BSC mit drei Siegen und einem Remis auf Platz zwei. Dann verletzte sich Grujic - und es lief nicht mehr ganz so gut für die Berliner. Seit drei Spielen ist er wieder dabei. Die Bilanz: zwei Siege und ein Remis.
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