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Enttäuschte »Gelbwesten«
Emmanuel Macrons halbherziges Einlenken ändert nichts an der Krise in Frankreich
Frankreich kommt nicht zur Ruhe. Am Dienstag demonstrierten Schüler erneut gegen die geplante Bildungsreform. Genauso wie die »Gelbwesten« reagieren sie damit auf die Politik von Präsident Emmanuel Macron, der bislang nur zu zaghaften Zugeständnisse bereit ist. »Die tiefen Ursachen der Proteste hat Macron überhaupt nicht verstanden«, urteilt Philippe Martinez, der Vorsitzende der Gewerkschaft CGT.
Die Rede, mit der Macron am Montagabend auf die Protestaktionen der »Gelbwesten« reagieren, ihnen entgegenkommen und so möglichst die Krise beenden wollte, hat allgemein enttäuscht. In seiner 13-minütigen Fernsehansprache kündigte Frankreichs Präsident - zusätzlich zu der vor einer Woche zurückgezogenen Öko-Abgabe auf Treibstoff - vier Maßnahmen an. Bezieher des Mindestlohns SMIC erhalten ab dem 1. Januar 100 Euro im Monat mehr, ohne dass dies die Unternehmen belastet. Dazu wird die bereits beschlossene Erhöhung der »Beschäftigungsprämie« für diese Einkommenskategorie, die eigentlich über die fünfjährige Amtszeit gestreckt werden sollte, auf den 1. Januar 2019 vorgezogen. Das macht 80 Euro pro Monat mehr aus, und die turnusmäßige Anhebung des SMIC entsprechend der Inflationsrate ergibt weitere 20 Euro.
Als zweite Maßnahme werden Überstunden für die Beschäftigten steuerfrei gestellt, ohne das Unternehmen dafür Sozialabgaben abführen müssen. Dies hatte bereits 2007 der rechte Präsident Nicolas Sarkozy eingeführt, bevor sein Nachfolger, der Sozialist François Hollande, diese Möglichkeit wieder abschaffte. Hollandes engster Wirtschaftsberater war damals Emmanuel Macron.
Für Rentner, die weniger als 2000 Euro im Monat beziehen, wird die 2017 beschlossene Erhöhung der Sozialsteuer CSG 2019 wieder abgeschafft. Die Unternehmen, die dazu in der Lage sind, rief Macron auf, ihren Beschäftigten eine Jahresendprämie zu zahlen. Für die seien weder Steuern durch die Bezieher noch Sozialabgaben durch die Unternehmen zu zahlen.
Über weitere Maßnahmen zur Verbesserungen der Lebenslage der Franzosen soll in einer landesweiten öffentlichen Debatte beraten werden, die über drei Monate gehen soll. Dazu machte Macron nur vage Andeutungen. So will er »mehr Steuergerechtigkeit schaffen«, lehnt aber die von den »Gelbwesten« geforderte Wiedereinführung der »Reichensteuer« ISF ab, die er 2017 gleich nach seiner Amtsübernahme abgeschafft hatte. Ohne konkret zu werden kündigte Macron an, er wolle der Steuerflucht einen Riegel vorschieben und durchsetzen, dass alle in- und ausländischen Unternehmen, die in Frankreich Gewinn erwirtschaften, im Land auch ihre Steuern zahlen.
Emmanuel Macron versicherte den Menschen, die Tag für Tag schwer arbeiten, aber aufgrund der steigenden Kosten und Steuern kaum mit ihrem Einkommen auskommen, seines volles Verständnisses und Mitgefühls. »Ich will hier und heute den ökonomischen und sozialen Ausnahmezustand erklären, damit künftig die Menschen von ihrer Arbeit besser leben können«, erklärte der Präsident. Gleizeitig verurteilte er scharf die Gewalt während der Protestaktionen.
Kritik an Macron äußerte nicht nur die gesellschaftliche Linke, sondern auch die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen, die Macron vorwarf, völlig losgelöst von der Realität zu leben und weiterhin nichts an seinem Modell ändern zu wollen.
Verhaltener Beifall kommt dagegen aus dem Unternehmerlager und von den rechten Republikanern. Bruno Retailleau, der Fraktionsvorsitzende der Republikaner in der Nationalversammlung, würdigte Macrons »richtige Lageeinschätzung«, bedauert aber, dass zur Finanzierung sozialer Maßnahmen nicht mehr an den öffentlichen Ausgaben gespart wird.
Nur wenige »Gelbwesten« sehen Macrons Zugeständnisse als »ersten Schritt in die richtige Richtung«. Die meisten bezeichnen sie als völlig unzureichend und sind entschlossen, ihre Protestaktionen bis zu einem überzeugenden Einlenken durch Präsident und Regierung fortzusetzen. Der linke Politiker Jean-Luc Mélenchon betont einmal mehr seine Unterstützung der »Gelbwesten«, die er am kommenden Sonnabend zu einem fünften Aktionstag aufruft. »Alle Maßnahmen, die Macron angekündigt hat, müssen letztendlich durch die Steuerzahler und die Sozialversicherten finanziert werden, während die großen Vermögen und die Profite der Unternehmen weiterhin ungeschoren bleiben.« Macron verdiene mehr denn je den Titel »Präsident der Reichen«.
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