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May sucht ihr Heil in Brüssel
Britische Premierministerin übersteht parteiinternes Misstrauensvotum trotz 117 Gegenstimmen / Rücktritt vor Parlamentswahl 2022 angekündigt
London. Nach dem gescheiterten Aufstand ihrer eigenen Fraktion in London setzt Premierministerin Theresa May nun auf die Hilfe der Europäer: Der EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel beschäftigt sich erneut mit den britischen Austrittsplänen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs wollen dazu beitragen, dass der fertige EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet und eine chaotische Trennung Ende März vermieden wird. Wie dies ohne Nachverhandlungen geschehen soll, ist allerdings offen.
May sagte, sie wolle nun »rechtliche und politische Rückversicherungen« hinsichtlich der Backstop genannten Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und Irland suchen. Die Regelung im Brexit-Vertrag ist bei britischen Abgeordneten heftig umstritten. Die EU signalisiert Entgegenkommen, allerdings in sehr engen Grenzen und ohne Vertragsänderung.
Am Mittwochabend musste sich May einer Misstrauensabstimmung stellen. Die Chefin der Konservativen Partei erhielt die Stimmen von 200 der 317 konservativen Abgeordneten im Unterhaus. Sie kann damit als Parteichefin und Premierministerin weitermachen. Um May zu stürzen, hätten ihr mindestens 159 Parlamentarier aus der Tory-Fraktion das Misstrauen aussprechen müssen. Kurz vor der Abstimmung hatte sie als Zugeständnis an ihre parteiinternen Kritiker einen Rücktritt vor der regulär 2022 anstehenden Parlamentswahl angekündigt.
Für May ist das dennoch kaum ein Grund zum Feiern. Sie muss weiterhin ihren Brexit-Deal durchs Parlament bringen und nun damit rechnen, dass 117 Abgeordnete ihrer eigenen Partei dabei nicht mitspielen werden. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist das ein desaströses Ergebnis.
Eine »erhebliche Zahl« an Abgeordneten habe gegen sie gestimmt, erklärte May am Abend vor dem Regierungssitz 10 Downing Street in London. »Ich habe mir angehört, was sie gesagt haben.« Hinter dem Misstrauensantrag gegen May standen vor allem Brexit-Hardliner in ihrer Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das Ergebnis sei »schrecklich«, sagte er. »Sie muss dringend zur Queen gehen und zurücktreten.«
Nicht nur in ihrer eigenen Partei brodelt es. Auch die nordirische DUP, auf die Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, und die Opposition kündigten Widerstand an. Labour-Chef Jeremy Corbyn setzt auf Neuwahlen. Großbritannien will Ende März aus der Staatengemeinschaft austreten.
Hauptstreitpunkt im Vereinigten Königreich ist der von der EU verlangte Backstop. Brexit-Befürworter befürchten, dass die im Austrittsvertrag vorgesehene Regelung Großbritannien auf Dauer eng an die Europäische Union bindet. Sie wollen eine Befristung. Das hat die EU abgelehnt. Agenturen/nd
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