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Fliegende Fantasien
Trotz EM-Platz zehn freut sich der DHB über viel Perspektive bei seinen Handballerinnen
Es ist ja immer so eine Sache mit bloßen Zahlen im Sport. Der Satz »Die Tabelle lügt nicht« hat durchaus eine Berechtigung, doch er sagt nichts über das Gefühl, das sich hinter einer Platzierung verbergen kann. Die Frauen des Deutschen Handballbundes (DHB) haben die Europameisterschaft in Frankreich auf dem zehnten Platz beendet, was angesichts des zwölften Ranges bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr nur eine marginale Verbesserung bedeutet. Die Perspektive der jungen Mannschaft des neuen Trainers Henk Groener lässt sich in der Abschlusstabelle nicht ablesen - und die ist deutlich freundlicher als vor einem Jahr und wirkt besser als noch vor zwei Wochen denkbar.
Das große Drama blieb am Ende allen erspart, und vielleicht war das auch gut so. Als die deutschen Handballerinnen am Mittwochabend zu ihrem letzten Match der Hauptrunde gegen die Niederlande antraten, war klar, dass sie gegen den WM-Dritten mit zwölf Toren Vorsprung hätten gewinnen müssen, um das Halbfinale zu erreichen. Es gibt beim DHB viele Optimisten, aber selbst ihnen war klar, dass so etwas außerhalb der Realität lag. Das 21:27 zum Abschluss sorgte deshalb für eine überschaubare Enttäuschung, der Halbfinaltraum war ja schon durch die Ergebnisse der anderen Spiele geplatzt.
»Damit können wir zufrieden sein, auch wenn wir gern noch mehr gehabt hätten. Wir haben viel richtig gemacht und ein sehr gutes Turnier gespielt«, sagte Groener am Donnerstag in Nancy. Drei Spiele hatte der Niederländer mit seiner Mannschaft gewonnen, drei verloren. Die Bilanz war neutral, der Gesamteindruck dennoch positiv. »Mit Deutschland wird man in Zukunft rechnen müssen«, teilte Norwegens Trainer Thorir Hergeirsson dieses Empfinden.
Vermutlich ist es perspektivisch sogar besser, dass die Mannschaft von Groener nicht schon bei dieser EM den Sprung unter die besten vier geschafft hat. »Wir haben gemerkt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen, dass wir von der Weltspitze noch entfernt sind«, analysierte er. Der Niederländer führte seine Heimat von 2009 bis 2016 nachhaltig in die Weltspitze. Seit 2015 erreichten die Niederländerinnen bei allen großen Turnieren mindestens das Halbfinale. Die EM in Frankreich lieferte Hinweise, dass Groener mit dem deutschen Team nun vor einer ähnlichen Entwicklung stehen könnte.
Nach der Heim-WM 2017 gab es durch die Rücktritte vieler älterer Spielerinnen einen erzwungenen, gleichzeitig aber auch gewollten Umbruch. In Frankreich trat Deutschland mit einer blutjungen Mannschaft an: die zweitjüngste der EM. Auf den Schlüsselpositionen gab es kein anderes Team, das jünger besetzt war. Daher verleiht dieser Kader der Fantasie Flügel. »Die gute Arbeit der Deutschen wird schon bald Früchte tragen«, sagte Rumäniens Trainer Ambros Martin, der die DHB-Auswahl auf dem Weg ins Halbfinale bezwang - dieses Mal noch.
Neben dem größten Talent Emily Bölk, die erst 20 Jahre alt ist, tummelten sich auf dem Spielfeld im Rückraum Alicia Stolle, Alina Grijseels (beide 22) und Xenia Smits (24). Am Kreis wechselten sich Meike Schmelzer und Julia Behnke (beide 25) ab, im Tor war Dinah Eckerle (23) die Nummer eins. Sie alle sollten ihre beste Zeit noch vor sich haben, trugen aber schon jetzt viel Verantwortung. Im Kader der DHB-Eliteförderung sind elf der 16 Plätze durch Mädchen besetzt. Die Perspektive stimmt.
»Ich hoffe, dass die Mädels bald verstehen, wie gut sie sein können«, sagte Groener in Frankreich. Denn Talent allein reicht nicht, um erfolgreich zu sein. Das Wissen um die eigene Stärke und das Selbstverständnis, es zu zeigen, müssen sich in den kommenden Jahren entwickeln. Gelingt das, gibt es bald nicht nur Lob von den Trainern der Konkurrenz. Dann werden sie vermehrt Niederlagen gegen Deutschland erklären müssen.
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