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Meilenstein für Menschenrechte

In New York will die UN-Generalversammlung den Flüchtlingspakt annehmen

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.

Als der UN-Gipfel am 19. September 2016 in New York zu Ende ging, einigten sich die Mitgliedsstaaten in der »New Yorker Erklärung« darauf, in den kommenden Monaten Lösungen für große Flucht- und Migrationsbewegungen zu finden - erstmals seit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention 1951. Der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte zuvor einen Bericht veröffentlicht, der die komplexe humanitäre und menschenrechtliche Notlagen verdeutlichte und die ungleiche Verteilung Geflüchteter hervorhob. So beherbergten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) zu diesem Zeitpunkt nur sechs Länder des Globalen Südens mehr als die Hälfte der über 20 Millionen außer Landes Geflüchteten weltweit. Ende 2017 waren insgesamt 68,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, über 40 Millionen sind sogenannte Binnenvertriebene, da die Flucht innerhalb der Landesgrenzen verläuft.

Aus dem historischen Ergebnis der »New Yorker Erklärung« von 2016 gingen Verhandlungen zu zwei getrennten Pakten, einem zu Migration und einem zu Flucht, hervor. Während der Migrationspakt in den letzten Wochen vor seiner Verabschiedung für großen Aufruhr sorgte, blieb der Flüchtlingspakt lange Zeit unbemerkt. Erst im Dezember 2017 kündigte US-Präsident Donald Trump an, den Pakt nicht zu unterstützen. Er sei »unvereinbar mit der Flüchtlingspolitik der USA«, hieß es. Zwar blieb er mit dieser Haltung lange Zeit allein, zuletzt hatte sich aber auch Ungarns Regierung gegen den Flüchtlingspakt ausgesprochen.

Den Migrationsforscher Marcus Engler wundert dies wenig: »Die ungarische Regierung versucht ja seit langem, die Flüchtlingsdebatte für ihre Zwecke zu nutzen«, sagte er der Deutschen Welle. Dabei enthalte der UN-Flüchtlingspakt keine Verpflichtungen, denen Ungarn nicht bereits unterliege: »Darin steht nichts, was über die Genfer Flüchtlingskonventionen oder die Europäische Menschenrechtskonvention hinausginge«, so Engler. Zudem ist der Flüchtlingspakt rechtlich ebenso wenig verbindlich wie der Migrationspakt.

In Deutschland hatte es anders als im Fall des UN-Migrationspakts kaum Kritik an dem Flüchtlingspakt gegeben. Das liege laut Oliviero Angeli, der an der Technischen Universität Dresden zu Migration und Rechtspopulismus forscht, vor allem daran, dass es für rechtspopulistische Parteien inhaltlich schwieriger sei, den Pakt zu kritisieren: »Rechtspopulisten behaupten, dass die meisten Menschen, die nach Europa kommen, gar keine Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten sind. Deshalb konzentrierte sich ihre Kritik bis jetzt fast ausschließlich auf den Migrationspakt.« Auch die lange Zurückhaltung der USA und die relativ versöhnlichen Worte zum Flüchtlingspakt, spielten eine Rolle.

Allerdings scheint es, als habe die AfD das Thema nun kürzlich doch für sich entdeckt: »Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um zu verhindern, dass Deutschland sich an diesen unverantwortlichen Plänen beteiligt«, sagte der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland.

Neben den drei Zielen des Flüchtlingspakts, Länder, die viele Geflüchtete aufgenommen haben, zu entlasten; Geflüchteten zu helfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und Bedingungen zu schaffen, damit Geflüchtete freiwillig und sicher in ihre Heimat zurückkehren können, ist es vor allem ein Ziel des Paktes, das in den Augen der rechtspopulistischen Partei ein Problem darstellt: Sogenannte Resettlements, bei denen Geflüchtete durch spezielle Kontingente in sichere Länder gebracht werden. Markus Frohnmaier (AfD) bezeichnete den Flüchtlingspakt in diesem Zusammenhang zuletzt als »groß angelegtes Umsiedlungsprogramm« aufgrund dessen Deutschland eine regelrechte Invasion drohe. Tatsächlich kommen für das Resettlement jedoch nur relative wenige, besonders schutzbedürftige Geflüchtete infrage. Martin Rentsch, UNHCR-Mitarbeiter in Deutschland, plädierte deshalb dafür, nicht von Umsiedlung, sondern von »humanitärer Härtefallaufnahme« zu sprechen.

Worin liegt dann aber das neuerliche Interesse der AfD, den Flüchtlingspakt zu kritisieren? »Deutschland erfüllt die darin festgeschriebenen Standards jetzt schon zu 100 Prozent«, sagte etwa Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) in einer Bundestagsdebatte über den Flüchtlingspakt. Der Pakt finde die fast uneingeschränkte Unterstützung der gesamten Weltgemeinschaft - »nur die AfD ist dagegen«. Mehrfach betont wurde auch, dass der Pakt Deutschland Entlastung bringe, wenn sich in Zukunft mehr Staaten an die vereinbarten Standards hielten. Darüber müsste sich die AfD eigentlich freuen. Der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Christian Lüth erklärte dazu jedoch: »Ja, im Moment erfüllt Deutschland die Standards, die in dem Pakt gefordert werden, aber wenn wir ihn jetzt unterstützen, nimmt uns das in Zukunft die Möglichkeit, uns gegen diese Einwanderungsvorgaben rechtlich zu wehren«.

Daran dass der Pakt heute in New York angenommen werden soll, wird die AfD nichts ändern können. Ihre Kritik zeigt vor allem, wie eine Flucht- und Migrationspolitik in Deutschland aussehen könnte, sollte sie einmal regieren.

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