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U-Bahnkrise: Frauen, die auf Risse starren
Senatorin Ramona Pop informiert sich über Probleme
Die Nutzer der U9 wurden Montagfrüh überrascht. Nicht etwa durch einen regelmäßigen Betrieb, sondern mit Durchsagen in den Bahnhöfen, dass es wegen Wagenmangels und weiterer Probleme zu Ausfällen komme. Auch auf weiteren U-Bahnlinien soll es diese Durchsagen gegeben haben. Das Problem bei der U-Bahn der Berliner Verkehrsbetriebe ist inzwischen so groß, dass auch die Aufsichtsratsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), nicht mehr wegschauen kann. Am frühen Montagnachmittag schaut sie in der Betriebswerkstatt Britz vorbei.
Nicht ohne Grund, denn hier drückt nicht nur der überalterte Fuhrpark der U-Bahn - die jüngsten der für das sogenannte Großprofil der Linien U5 bis U9 entwickelten Fahrzeuge sind auch schon 16 Jahre alt. Denn die seit 2014 wegen eines maroden Tunnels fehlende Gleisverbindung zur zweiten Großprofil-Betriebswerkstatt an der U5 führt dazu, dass in Britz 82 Prozent der Großprofilflotte gewartet werden müssen - 630 von 772 Wagen. Dafür ist die Werkstatt nicht ausgelegt (»nd« berichtete).
113 Mitarbeiter arbeiten hier wochentags im Drei-Schicht-System und an den Wochenenden in zwei Schichten, um möglichst viele Wagen flottzukriegen. »Allein am letzten Wochenende haben wir 106 Wagen repariert«, berichtet Werkstattleiter Thomas Burgemeister.
Infolge des unerwarteten Warnstreiks bei der S-Bahn am vergangenen Montag und den entsprechenden Überfüllungen bei der U-Bahn habe es sehr viele Türstörungen gegeben, erklärt BVG-Chefin Sigrid Nikutta. Die Türen sind eine Achillesferse der älteren Baureihen aus den 70er, 80er und frühen 90er Jahren. »Wenn eine Tür kaputt ist, müssen wir den ganzen Doppeltriebwagen in die Werkstatt bringen«, erklärt Burgemeister. Denn einzeln sperren lassen sich die Türen nicht. »Die Reparatur pro Tür dauert im Schnitt eine bis zwei Stunden«, berichtet er. Wenn der betroffene Wagen am anderen Ende des Netzes steht, ist seine Überführung in die Werkstatt sehr zeitraubend. Außerdem bindet das Fahrer, die auch nicht im Überfluss vorhanden sind.
Pop und Nikutta lassen sich Risse zeigen, Probleme erklären. »Die Flotte ist ziemlich alt und ziemlich reparaturbedürftig, aber die Mitarbeiter tun alles, um den Betrieb am Laufen zu halten«, sagt die Senatorin. Das liege eben daran, das Jahrzehnte keine neuen Züge beschafft worden sind.
Immerhin scheint es inzwischen einen belastbaren Zeitplan für die Großbestellung von 1500 neuen U-Bahnwagen zu geben. In dem Verhandlungsverfahren mit, dem Vernehmen nach, drei Bietern gibt es derzeit tägliche Treffen, im September 2019 soll verbindlich bestellt werden. So könnten noch vor der Wahl im Herbst 2021 die ersten Prototypfahrzeuge fertig sein - wenn keiner der unterlegenen Bieter klagt. Vier, fünf Jahre werde es auf jeden Fall noch dauern, bis die U-Bahn wieder verlässlich fahren könne, sagt Harry Scholz, Personalratschef des Werkstättenbereichs.
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