Von Autokonzernen ferngesteuert

Deutsche Umwelthilfe klagt in Jahresbilanz 2018 das Versagen der Bundesregierung an

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Von Mutlosigkeit sei die derzeitige Umweltpolitik geprägt, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), am Dienstag in Berlin. Ob Klimaschutz, Luftreinhaltung oder Naturschutz - die Bundesregierung setze sich über selbst gesteckte Ziele hinweg und opfere den Umweltschutz zugunsten von Industrieinteressen. Für das kommende Jahr kündigte der Umweltverband daher weitere Klagen »zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern« an.

Derzeit kämpft die DUH laut eigenen Angaben bereits in 34 Städten auf juristischem Weg für »Saubere Luft«. Denn der EU-Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid werde seit seiner Gültigkeit 2010 vielerorts noch immer nicht eingehalten. »Anstatt die Bürger vor krankmachenden Abgasen zu schützen und die Hersteller endlich zur Nachrüstung der Betrugsdiesel zu verpflichten, setzt sich diese von den Autokonzernen ferngesteuerte Bundesregierung für erhöhte Stickstoffoxid-Grenzwerte von Diesel-Pkw ein und will die Grenzwerte für die Atemluft anheben«, erklärte Jürgen Resch, ebenfalls DUH-Bundesgeschäftsführer. In der Missachtung sei eine Krise des Rechtsstaats zu erkennen: »Wir erleben eine Regierung im Panikmodus, die sich in Anbiederung an die Dieselkonzerne sogar über geltende Gesetze und Gerichtsurteile hinwegsetzt. Wie es um das Rechtsstaatsverständnis steht, führt die Bayerische Staatsregierung seit vier Jahren mit ihrer Missachtung eines rechtskräftigen Urteils für Diesel-Fahrverbote in München vor«, sagte Resch. Nun solle der Europäische Gerichtshof urteilen, dass in diesem Fall Zwangshaft gegen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und weitere Minister oder Behördenchefs verfügt werden müsse. Klimaschutz im Verkehr wolle die DUH im kommenden Jahr auch durch ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen erreichen.

Es gibt indes auch kleinere Fortschritte. Kürzlich hatte die Umwelthilfe erstmals eine außergerichtliche Einigung mit einer Landesregierung beim Thema für »Saubere Luft« erreicht, und zwar für Darmstadt. Die Regierungen von Rheinland-Pfalz und Berlin hatten zudem erklärt, die Urteile zu akzeptieren und Diesel-Fahrverbote sowie den Umbau des innerstädtischen Verkehrs im Frühjahr 2019 umzusetzen.

Im Mai hatte die DUH außerdem Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht, um das Recht auf sauberes Wasser durchzusetzen: »Unter allen 28 EU-Staaten weist Deutschland die zweithöchste Belastung des Grundwassers durch Nitrat auf. Seit 1991 gibt die EU-Richtlinie Ziele vor, um die Nitratbelastung zu verringern, doch der Grenzwert für Nitrat wird noch immer gerissen«, erläuterte Müller-Kraenner. »Die Gefahr für Trinkwasser, Gesundheit und Artenvielfalt ist zu groß. Wir werden daher auch 2019 mit rechtlichen Mitteln für den Grund- und Trinkwasserschutz kämpfen.«

Im Klimaschutz wünscht sich die Umwelthilfe einen Neustart und fordert ein nationales Klimagesetz mit verbindlichen Zielen für alle Sektoren. Vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz stehe die Bundesregierung auf der Bremse. Dies gelte auch im Gebäudebereich, wo der Verband dafür appelliert, Sozialverträglichkeit und Klimaschutz in Zukunft zu verbinden. So müssten die Kosten für energetische Sanierungsmaßnahmen gerechter zwischen Eigentümern, Mietparteien und Staat verteilt werden, erklärte Barbara Metz, stellvertretende DUH-Geschäftsführerin. »Energieeffizienzmaßnahmen dürfen nicht länger zum Sündenbock für steigende Mieten und Preise gemacht werden.«

Positiver bewertete die Umwelthilfe dagegen, dass Plastik immer weniger im Trend sei. Dies zeige sich auch an dem Rückenwind, den die Organisation in ihrer Kampagnenarbeit erhalten hat - zuletzt hatten fast 500 000 Menschen eine Petition gegen Plastik im Meer unterzeichnet. Ein am 1. Januar 2019 in Kraft tretendes neues Verpackungsgesetz setzte den riesigen Müllbergen dahingegen kaum etwas entgegen. Es konzentriere sich fast nur auf das Recycling, der Abfall werde dadurch aber nicht weniger. »Daher ist es umso wichtiger, die wenigen Maßnahmen umzusetzen, die wirklich Potenzial zur Vermeidung haben. Dazu zählt die Mehrwegquote von 70 Prozent für Getränkeverpackungen«, so Metz. Mehrweg müsse sich als Leitsatz nun auch bei anderen Gütern des alltäglichen Konsums durchsetzen.

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