Eine Herkulesaufgabe

Umfangreiche Arbeiten warten bei Rückbau und Abriss des Reaktors in Brunsbüttel

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der Umsetzung des erklärten Aus für den Meiler in Krümmel gab es in der Vorwoche eine rechtliche Erörterung für alle Einwender mit der Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. An beiden Standorten, die bereits nach einer ganzen Serie von Pannen seit 2007 (Brunsbüttel) und 2009 (Krümmel) nicht mehr der Stromgewinnung dienen, ist es allein mit der Abrissbirne nicht getan - eine Herkulesaufgabe mit zahlreichen Arbeitsschritten steht an. Radioaktives Material muss weiter vor Ort zwischengelagert werden. Ohne bundesweite Lösung in der Endlagerfrage wird die Aufbewahrung womöglich gar zu einer Daueraufgabe.

Hatte es im Zusammenhang mit Schadens- und Pannenmeldungen zwischen Betreiber Vattenfall und Aufsichtsbehörde im Kieler Energieministerium über einen langen Zeitraum ein eher angespanntes Verhältnis zwischen beiden Seiten gegeben, hat sich dieses in den grünen Amtsjahren unter Minister Robert Habeck und seinem Nachfolger Jan Philipp Albrecht deutlich entkrampft.

Bettina Boll, AKW-Gegnerin der ersten Stunde aus Geesthacht am Standort Krümmel, staunt über eine zuletzt an den Tag gelegte Dialogbereitschaft von Betreibergesellschaft und Behördenvertretern. Das zeigt auch der nun sukzessiv anlaufende Rückbauprozess. Von 390 Einwendern fanden nur 16 den Weg zur zweitägigen Anhörung - gewachsenes Vertrauen schmälert offenbar Betroffenheit. Vattenfall legte auf rund 1400 Seiten seine Vorstellungen über den Rückbau vor, mit dem man 2020 beginnen möchte und der weitere 15 Jahre später dann abgeschlossen sein soll.

Der Energiekonzern musste sich beim offiziellen Austausch von Argumenten und den Fragen von betroffenen Anwohnern vor allem dem Vorwurf stellen, mit zum Teil nur wenig konkreten Informationen aufzuwarten. Zur Sprache kamen bei der Erörterung vor allem die vielen der Region bevorstehenden Transporte mit Atommüll. Die Zahl 6800 machte dabei die Runde. Je nach Recyclingmaterial und Bestandteil kommen Lieferungen bis in die USA oder nach Schweden in Frage. Sperrten sich viele schleswig-holsteinische Deponien bislang für anfallenden konventionellen AKW-Bauschutt, hat das nur sieben Kilometer von Krümmel entfernte Abfallwirtschaftszentrum Wiershop inzwischen eine Aufnahmebereitschaft signalisiert.

In Brunsbüttel, wo Vattenfall sich frühestens 2032 eine grüne Wiese mit zwei Lagerhallen vorstellt, wird unterdessen um die mit dem Rückbau verbundene wasserrechtliche Genehmigung gestritten. Vattenfall will mit seinen radioaktiven und chemischen Abwassereinleitungen in die Elbe nicht von den zulässigen Werten aus Betriebsmoduszeiten abgehen. Im Gegenteil: Laut dem in der Region seit Jahrzehnten mit dem Thema befassten und auch als Kläger aufgetretenen AKW-Gegner Karsten Hinrichsen will Vattenfall die Nuklidemissionen im Vergleich zu den Leistungsbetriebswerten sogar um das 1000-fache steigern.

Umweltschützer, Anlieger, ein Kohlbauer und ein Elbfischer schlagen deshalb Alarm. Allein von der niedersächsischen Elbseite wurden binnen weniger Wochen über 4300 Einwendungen gegen Vattenfalls Pläne gesammelt und dazu im Cuxhavener Stadtparlament eine Protestresolution verabschiedet. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, beim Rückbau mehr den Kostenfaktor als das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung im Auge zu haben.

Genau wie in Krümmel gibt es auch auf dem Gelände von Brunsbüttel zwischengelagerte Castoren. Ferner hat es im September den ersten Spatenstich für ein weiteres Lagergebäude gegeben, in dem nach Fertigstellung schwach bis mittelaktiv belasteter Atommüll landen soll. Dieser befindet sich noch in einer im Rahmen einer Sondergenehmigung genutzten Transporthalle, in der inzwischen alle zuvor in Kavernen verstauten Fässer mit schwach- und mittelaktiv belastetem Material vorübergehend in Spezialbehältern Platz gefunden haben, nachdem 2012 erstmals Rostbefall an einem Viertel aller 630 Fässer entdeckt wurden.

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